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Eine Kongress-Nachlese zu Kommunikations- und Führungsthemen

„Was können wir gemeinsam tun, dass sich die Situation in den Kliniken möglichst bald bessert?“, fragte eine junge Assistenzärztin in der Sitzung „Führungskultur und Verantwortung“ am zweiten Kongresstag in München. Eigentlich hätte es an dieser Stelle losgehen können. Doch so ging die Sitzung zu Ende.

In den Vorträgen gab es verschiedenen Anregungen zur Führungskultur. Die Generationsumfrage des BDC zeigte die zum Teil differierenden Wünsche derjenigen Mitarbeiter mit Buchstaben vom Ende des Alphabets im Vergleich zu denjenigen Mitarbeitern aus den Babyboomer- und Wirtschaftswunderjahren. Ärztliche Verantwortung wie auch Transplantationsskandale waren die Themen.

Der Saal war gut gefüllt, die Zuhörer überwiegend graumeliert, kaum junge Teilnehmer. Amtierende Führungskräfte vermutlich, die zu den Ausführungen zustimmend nickten, sich offenbar in ihrem Handeln bestätigt fühlten. Jedenfalls ließen Diskussionsbeiträge am Ende der Sitzung darauf schließen: „Eigentlich machen wir doch schon alles richtig; wir haben es begriffen“, so war die Erkenntnis.

Doch dann begann die eigentlich interessante Phase der Veranstaltung: Die Vertreter der älteren Generation gingen wie selbstverständlich zum vorderen Mikrofon und äußerten sich. Dass eine junge Ärztin schon sehr viel länger geduldig am hinteren Mikrofon wartete, war außerhalb der Wahrnehmung von Diskutierenden und Vorsitzenden. Was würde sie tun? Würde sie sich resigniert wieder hinsetzen? Sie setzte sich nicht. Sie blieb ruhig und freundlich. Sie stellte ihre Frage und schlug vor, gemeinsam zu handeln. An dieser Stelle musste der Vorsitzende die Sitzung beenden. Zeitnot. Kein Dialog. Zufall oder Symptom?

Vieles in dieser Sitzung war interessant, aber: Es wurde über die junge Generation von Ärzten gesprochen. Ein Dialog zwischen den Generationen wäre interessanter gewesen.

„Kommunikation für Ärzte“ – Kommunikationsworkshop des BDC

Genau dieser Dialog stand im Mittelpunkt des dreistündigen Workshops und gab den Teilnehmern viele konkrete Anregungen für ihre Arbeit in ihren Kliniken. „Kommunikation für Ärzte ist die Kommunikation zwischen Ärzten“, so der Ansatz. Der Workshop war gut besucht und hätte auch noch mehr Teilnehmer aufnehmen können, die aber leider von der Kongressorganisation abgeschreckt worden waren. Ausgebucht, überfüllt, war die Absage. Schade, denn das stimmte nicht.

Wie kam es zu der Idee des Workshops? In Führungsworkshops mit Chef- und Oberärzten einerseits und Workshops für PJ-Studenten und jungen Absolventen (z. B. für das Deutsche Ärzteblatt) andererseits entsteht immer mehr der Eindruck, dass die Generationen aneinander vorbei reden, sich missverstehen. Chef- und Oberärzte (der jetzt definierten Wirtschaftswunder- oder Babyboomergeneration) wundern sich über die bewusste Trennung von Arbeit und Leben in der jüngeren Generation. Zum Teil werfen sie den Youngstern Desinteresse vor.Die Jungen erzählen immer wieder verschiedene Varianten von: „Im PJ und auch am Anfang der Assistenzzeit wusste ich nicht, was von mir erwartet wurde. Ich fühlte mich oft insuffizient. Ich durfte wenig machen und musste gleichzeitig in Mangelsituationen alles können. Meine Einarbeitung haben überwiegend die Schwestern übernommen. Ich wusste oft nicht, wohin ich gehörte.“

Ähnliche Sätze hätten die Generationen zuvor auch formulieren können, doch das Bewusstsein und die Rahmenbedingungen haben sich eben geändert. Dass die Evolutionsgeschichte in vielen Themenbereichen Fortschritte für alle gebracht hat, macht Hoffnung.

„Nehmen Sie uns bitte mit auf den Weg!“

Isabell Woest, PJ-Studentin aus Jena, spiegelte den anwesenden Chef- und Oberärzten aus verschiedenen chirurgischen Disziplinen wider, in welche schwierigen Situationen sie und ihre Mitstudenten oft kommen. Wie wenig Orientierung sie im Alltag darüber haben, was von Ihnen verlangt wird. Wie schwierig es für Studenten ist, für sich eine Balance zu schaffen aus Mitarbeit im klinischen Alltag, was meist gleichbedeutend somit ist, Entlastung zu schaffen für die Abteilung und gleichzeitig die notwendigen Schritte zu tun auf dem eigenen Entwicklungsweg.

PJ-Studenten bekämen Informationen oft nur bruchstückhaft, führt sie aus. Vor lauter Blutabnehmen und Venülen legen seien sie häufig nicht anwesend, wenn nächste Schritte zu Patienten besprochen werden. Im Kontakt zu Patienten und Angehörigen und zum Pflegepersonal fehlen dann die notwendigen Informationen, auch im OP.

Werden Studenten dann zur Assistenz in den OP gerufen, so bemüht sich niemand mehr, sie in das Geschehen zu integrieren, Zusammenhänge herzustellen. Die Studenten selbst trauen sich im OP oft nicht zu fragen, weil sie nicht stören wollen. So haben sie nicht den Eindruck etwas zu lernen und erst recht nicht das Gefühl, ein Teil des großen Ganzen zu sein. Viele fühlen sich auch in ihrer unklaren Rolle als PJ-ler unwohl. In ihrer resignativen Erkenntnis, noch nicht mal Appendix im System zu sein, nutzen sie dann oft die erste Gelegenheit, den Feierabend einzuläuten.

Sehr klar und strukturiert erläuterte die junge Frau die Wechselwirkungen des Handelns und machte deutlich: „Wir wollen nicht unverschämt sein. Wir sind nicht desinteressiert. Wir wollen nicht absahnen. Viele von uns setzen sich gern ein. Aber bitte nehmen Sie uns mit auf den Weg!“

Die anwesenden Chef- und Oberärzte nachdenklich: „Wenn wir von den Studenten für unsere Abteilungen etwas haben wollen (und sie von uns), müssen wir strukturiert mit ihnen reden und nicht nur plaudern. Mentoringsysteme haben wir bereits eingeführt. Aber ein Gespräch zu Beginn des PJ-Tertials und zum Abschluss, das gibt es nicht. Eine Art wechselseitiger Auftragsklärung wäre wichtig. Denn ein Student, der später Allgemeinmedizin oder Psychiatrie machen möchte, wird ganz andere Dinge in seinem Chirurgie-Tertial sehen wollen als einer, der sich für ein operatives Fach entscheiden möchte. Das heißt nicht, dass derjenige desinteressiert sein muss, wie wir meist denken. Individuelle Ziele und den Weg dahin können in einem kurzen orientierenden Gespräch geklärt werden. So viel Zeit muss sein!“

„Für Entscheidungen und Antworten muss ich selber sorgen!“

Kathleen Hartwich, Weiterbildungsassistentin im vierten Ausbildungsjahr im Universitäts Centrum für Orthopädie und Unfallchirurgie in Dresden, dachte pragmatisch: „Ich brauche kurze und klare Absprachen im Alltag. Der Laden muss laufen. Da kann man nicht so viel reden. Fachliche Fragen bespreche ich mit den erfahrenen Fachärzten. Das läuft super. Wir verstehen uns gut. Ich darf auch viel selbst operieren und kann mich entwickeln. Benötige ich übergeordnete Entscheidungen von Chef- oder Oberärzten, dann muss ich dafür sorgen, dass ich sie bekomme. Ich darf in der Chirurgie nicht schüchtern sein. Ich warte nicht ab, ich bin nicht empfindlich. Aber es stimmt schon, ich handele so, weil ich durch meinen vorher erlernten Beruf schon ein bisschen älter bin. Das kommt mir sicher im Vergleich zu den ganz jungen Kollegen zugute. Früher hätte ich mich auch nicht getraut. Von meinen Vorgesetzten erwarte ich kurze Rückmeldungen zu meinem Handeln. Sonst kann ich mich nicht verbessern.“

Strahlend formulierte Frau Hartwich dann ihren ermutigenden Abschlusssatz: „Ich bin sicher: Ich habe mir den schönsten Beruf ausgesucht, den es überhaupt gibt!“

„Doch was machen wir mit wenig strukturierten Mitarbeitern?

Die Chef- und Oberärzte bedankten sich für die Einblicke in die Bedarfe der beiden jungen Kolleginnen. Einen Arbeitsvertrag in der eigenen Klinik würden sie gern anbieten. Denn: Leider sind nicht alle Mitarbeiter so klar und strukturiert im Alltag. „Was machen wir mit denjenigen, die stapelweise Entlassungsbriefe vor sich her schieben, die immer nur OPs fordern und wenig Einsatz zeigen?“

Interessant war für die Anwesenden der Gedanke, dass jeder Assistenzarzt mindestens zwei Rollen im Kliniksystem hat: Er ist Weiterbildungsassistent und zugleich Mitarbeiter der Abteilung. Jeder Chef- oder Oberarzt ist Ausbilder und Führungskraft. Aus jeder der Rollen sind die Erwartungen an die Gegenüber unterschiedlich. Oft werden sie vermischt und Themen verknüpft, die eigentlich keinen Zusammenhang haben. („Sie dürfen erst in den OP, wenn…!“) Ein Oberarzt kann von einem ärztlichen Mitarbeiter erwarten, dass er – passend zu seiner Berufserfahrung – sich selbst auf seiner Station organisiert und die Abläufe koordiniert. Ein junger Arzt hat die Erwartung, bei diesen Lernschritten eine Unterstützung zu erhalten, die über ein „Na, wie läuft’s? Alles in Ordnung? Ich bin dann mal weg!“ hinaus geht.

Klarheit in der Führung ist im Alltag notwendig. Ein junger Arzt muss jeweils wissen, was von ihm in den ersten drei Monaten, in den ersten sechs Monaten, nach einem Jahr und am Ende des Common Trunk erwartet wird. Bei diesen Gesprächen sind auch die Vorerfahrungen zum Beispiel aus dem Studium, der Promotion oder Auslandsaufenthalten zu berücksichtigen. Erfüllt ein nachgeordneter Arzt die Anforderungen nicht, sind Kritik- und Konfliktgespräche notwendig. Sie müssen nicht furchtbar und unangenehm sein. Ganz im Gegenteil: Sie können eine Chance für alle Beteiligten sein. Sie geben Orientierung über Erwartungen und Handlungen in der Zukunft. „Wir finden berechtigte Kritik vollkommen in Ordnung“, bestätigt die junge Studentin aus Jena. „Auf das Wie kommt es an!“

Die Atmosphäre in der Gruppe ließ ein wenig praktisches Üben zu. Dabei zeigten sich die klassischen Fallstricke in der Gesprächsführung. Die Teilnehmer gingen mit einer kleinen ‚OP-Lehre für Kritikgespräche’ zurück ins Kongressgeschehen und waren mit dem Dialog und den Erkenntnissen aus dem Workshop sehr zufrieden.

Schlein U. / Hager van der Laan J. Dialog zwischen verschiedenen Chirurgengenerationen. Passion Chirurgie. 2013 September, 3(09): Artikel 05_02.

Autoren des Artikels

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Dr. med. Ulrike Schlein

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