„Bundeswehrkrankenhäuser haben in Zukunft vor allem den Zweck, Fachpersonal zu qualifizieren, in Übung zu halten und auf den Einsatzvorzubereiten“
Weizsäcker-Kommission [1]
Die Einsatzrealität des Sanitätsdienstes der Bundeswehr wird bestimmt durch Aufgaben der internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung mit einem hierfür breiten Spektrum möglicher militärischer Operationen der Land-, Luft- und Seestreitkräfte. Der Sanitätsdienst, als integraler Bestandteil des Gesundheitssystems in Deutschland, muss sich der Weiterentwicklung der zivilen Versorgungsstrukturen und den steigenden Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit im zivilen Gesundheitswesen stellen. Diese werden durch gesetzliche Regelungen sowie Vorgaben der Beschlussgremien der gemeinsamen Selbstverwaltung, der Standesvertretungen („Kammern“) oder der Fachgesellschaften bestimmt. Aus diesen Rahmenbedingungen ergeben sich zwangsläufig Konsequenzen für das zukünftige Anforderungsprofil der Chirurgen in der Bundeswehr und damit ihrer Fort- und Weiterbildung. Dieses gelingt nur, wenn die unterschiedlichen zivilen und militärischen Entwicklungslinien zu einer strukturierten Weiterbildung so verbunden werden, dass die Leistungserbringung für Soldaten im Auslandseinsatz durch qualifiziertes chirurgisches Fachpersonal ebenso gewährleistet ist, wie eine hochwertige Inlandsversorgung im System der Bundeswehrkrankenhäuser.
Besonderes Aufgabenspektrum
Die Chirurgen des Sanitätsdienstes müssen während eines Auslandseinsatzes ein sehr breites fachliches Spektrum kompetent abdecken. So muss dem chirurgischen Team die Beherrschung aller lebensrettenden Notfallmaßnahmen im Bereich der Thorax-, Viszeral-, Gefäß- und Unfallchirurgie zugetraut werden können. Fehler in der Notfallbehandlung der schweren intraabdominellen und intrathorakalen sowie der massiv blutenden Extremitätenverletzung – zumindest bei potentiell überlebbaren Verletzungen – führen unweigerlich zum Tod des Patienten oder zum Organ- bzw. Extremitätenverlust. Zusätzlich sind auch praktische Fähigkeiten im Bereich der Neurochirurgie, Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie, Ophthalmologie, Urologie und Gynäkologie sowie ausreichende Kenntnisse über die Behandlung der Verbrennungskrankheit und Maßnahmen der chirurgischen Intensivmedizin erforderlich. Diese breite chirurgische Kompetenz kann aufgrund der personellen Ressource „chirurgisch tätiger Sanitätsoffizier“ nicht durch Teambildung erreicht werden (z. B. ein Dreier-OP-Team bestehend aus Fachärzten für Orthopädie/Unfallchirurgie, Viszeralchirurgie und Gefäßchirurgie). Diese Art des Kompetenzsplittings würde durch eine Einsatzzeitdauer von drei bis vier Monaten pro Jahr den Betrieb im Heimatkrankenhaus empfindlich behindern und bezogen auf den Einzelnen zu einer nicht durchhaltefähigen Individualbelastung führen. Neben diesem „Bereitstellungsproblem“ sprechen jedoch auch weitere Argumente dafür, dass es in der Regel nicht sinnvoll ist, an den Auslands-Einsatzstandort oder auf das Schiff Expertengruppen verschiedener Facharztdisziplinen zu senden. So zeigt die Erfahrung, dass letztlich nur ein umfassendes Abdecken des einsatzrelevanten chirurgischen Spektrums in Massenanfall-Szenarien keine Defizite entstehen lässt. Aus rein militärmedizinischer Sicht ist die Bündelung breiter Notfallkompetenz auf eine Person günstiger, da erfahrungsgemäß immer wieder auftragsbedingt einzelne Chirurgen außerhalb der Rettungszentren bzw. Feldlazarette chirurgisch tätig werden und hier allein mit materiell stark eingeschränkten Ressourcen kompetent versorgen müssen. Somit ist es erforderlich, dass der einzelne Chirurg in der Bundeswehr über Kompetenzen für lebens-, gliedmaßen- und organerhaltende Notfalleingriffe verfügt (= Einsatzchirurg), die über die Inhalte der jeweils gültigen Weiterbildungsordnungen der einzelnen chirurgischen Fachgebiete hinausgehen (Abb. 1 und 2).
Die zivilen Rahmenbedingungen für die Weiterbildung
Die hierfür erforderliche militärchirurgische Weiterbildung von Sanitätsoffizieren der Bundeswehr muss jedoch auch den Gegebenheiten und zukünftigen Entwicklungen der zivilen Krankenhauslandschaft und den aktuellen offiziellen berufspolitischen Vorgaben der Weiterbildungsordnung (WBO) genügen. Die Vorgaben der WBO ermöglichen derzeit die Weiterbildung zu einem spezialisierten Chirurgen auf Facharztniveau innerhalb einer Weiterbildungszeit von mindestens weiteren vier Jahren. Militärchirurgisch relevant sind die Disziplinen Viszeral-, Gefäß-, Unfall-, Thorax-, die Allgemeinchirurgie, Plastische Chirurgie und Handchirurgie. Die (Muster-)Weiterbildungsordnung birgt nun für eine breite Ausbildung Chancen aber auch Risiken.
Auf der einen Seite wird ein sehr gezieltes Heranbilden von Spezialisten ermöglicht (Risiko für die Militärchirurgie). So ist es beispielsweise denkbar, dass trotz „Common Trunk“ der zukünftige Facharzt für Viszeralchirurgie innerhalb seiner sechsjährigen Weiterbildungszeit keinen Fixateur externe gesehen oder selbständig implantiert hat, nie einen Gips angelegt, nie eine komplizierte Fraktur versorgt oder hierbei assistiert hat – ein für den Einsatzchirurgen denkbar ungünstiger Kompetenzaufbau! Die weiterbildungsrechtliche Flexibilität geht dabei so weit, dass die zeitlichen Mindestvoraussetzungen eines angehenden Facharztes für Viszeralchirurgie theoretisch zwar nur bei drei Jahren in der eigenen Fachrichtung liegen, aber auch volle fünf der insgesamt sechs Jahre darin zugebracht werden können. Ebenso denkbar ist es, dass ein Facharzt für Orthopädie und „Unfall“chirurgie keinerlei Expertise in der Behandlung des Schädelhirntraumas, des Thoraxtraumas oder des Bauchtraumas besitzen muss – den Situationen, in denen ein Verunfallter lebensgefährlich verletzt sein kann. Wie sollte dieser „Unfallchirurg“ die Unfallsituation meistern ohne die unmittelbare Lebensbedrohung abwenden zu können? Welche Berechtigung kann er sich nachfolgend tatsächlich erarbeiten, um jemals real ein „spezieller Unfallchirurg“ zu sein? Auf der anderen Seite wird nun jedoch die Säule „Allgemeine Chirurgie“ eine zumindest anfangs breite Weiterbildung im Falle einer von Anfang an klar vorgegebenen Rotation durch die verschiedenen Fachgebieten der Chirurgie ermöglichen und somit zur Chance für die Militärchirurgie.
Inhalte der Weiterbildung des Militärchirurgen – Weiterbildung und Einsatzchirurgie-Kurskonzept
Um die notwendige breite chirurgische Kompetenz entwickeln zu können, wird der Weiterbildungsgang für einen Sanitätsoffizier, der für eine Qualifizierung zum Arzt Einsatzchirurg vorgesehen ist, zukünftig nach dem sogenannten Modell „DUO plus“ (idealtypisch: 1. Facharzt: Allgemeine Chirurgie und 2. Facharzt: Viszeralchirurgie oder Orthopädie/Unfallchirurgie oder Gefäßchirurgie) mit zusätzlichen erweiterten nicht-chirurgisch operativen Kompetenzen (=“plus“), z. B. auf den Gebieten der Neurochirurgie, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Urologie und Gynäkologie erfolgen. Die Ausbildungsinhalte sind im Rahmen von klinischer Weiterbildung, Hospitationen sowie in Lehrgängen zu vermitteln. Der Weiterbildungsgang kann sich folgendermaßen darstellen (Beispiel einer Rotationsdauer- und -reihenfolge):
Basisweiterbildung:
- 1/2 Jahr Station Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Thoraxchirurgie
- 1/2 Jahr Interdisziplinäre Notfallaufnahme
- 1/2 Jahr Station Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie
- 1/2 Jahr Intensivstation (Abteilung Anästhesie und Intensivmedizin)
In dieser Zeit besteht die Aufgabe, einen von der DEGUM zertifizierten Sonografie-Basiskurs und den Advanced Trauma Life Support (ATLS®) – Kurs zu absolvieren. Ebenso sollte am Basiskurs Osteosynthese der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese (AO) teilgenommen werden (mittlerweile auch als Inhouse Kurse in Bundeswehrkrankenhäusern angeboten). Die Durchführung dieser Kurse wird durch den Dienstherren unterstützt und die hierfür anfallenden Aufwendungen übernommen.
Zeit der zusätzlichen 4-jährigen Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeine Chirurgie:
Es folgt eine in der Regel 6 bis 12-monatige Rotation zwischen den Fächern Viszeralchirurgie/Thoraxchirurgie (insgesamt 18 Monate), Orthopädie/Unfallchirurgie (18 Monate) und Gefäßchirurgie (12 Monate). Zusätzlich soll der DEGUM zertifizierte Sonografie-Aufbaukurs absolviert werden. Pflicht für die Anerkennung des Status eines Sanitätsoffiziers Einsatzchirurgie ist zudem die Teilnahme am einwöchigen Einsatzchirurgiekurs Modul 1. Dieser Akut- und Notfallchirurgiekurs, bereits 1998 eingerichtet, ähnelt dem durch die DGU seit 2008 in Deutschland eingeführten DSTC-Kurs vermittelt jedoch auch Basiskenntnisse für Notfallsituationen chirurgischer Nachbarfächer wie Urologie, Gynäkologie, Mund-, Kiefer- Gesichtschirurgie sowie der Anästhesie. Darüber hinaus werden für das Einsatzgeschehen relevante organisatorische Problembereiche erörtert (z. B. Massenanfall Verwundeter und Risiken und Möglichkeiten des schrittweisen Transportes Verwundeter aus den Einsatzgebieten nach Deutschland). Alternativ gilt auch der DSTC-Kurs. Ein weiteres obligates Modul 2 besteht aus einem zweitägigen Gefäßnahtkurs, der sehr praxisnah an perfundierten Gefäßmodellen durchgeführt wird und auch militärchirurgisch relevante Notfallsituationen berücksichtigt (z. B. temporäre Shunteinlage) (Abb. 3). Ebenso obligat ist die Teilnahme an dem durch die neurochirurgische Abteilung am Bundeswehrkrankenhaus Ulm eingerichteten einwöchigen sogenannten Modul 3 Neurotraumatologie-Kurs (Hörsaal, OP-Hospitation mit Videoübertragung und Präparierübungen an Modellen und Körperspendern). Nach Erreichen des Facharztes für Allgemeine Chirurgie wird die zweite Facharztausbildung begonnen. Für Kollegen in diesem Ausbildungsabschnitt wird fakultativ die Teilnahme an drei- bis viermonatigen Hospitationen angeboten, in denen vor allem Kenntnisse für penetrierende Verletzungen (Schuss- und Stichwunden) vermittelt werden. Weiterbildungskliniken können z. B. das Chris Hani Baragwanath Hospital in Johannesburg, Südafrika sein.
Ziel dieser Weiterbildung zum Einsatzchirurgen ist nicht der omnipotente Generalist (der „Alleskönner“), sondern ein Chirurg, der die Notfallsituationen (für die Einsatzchirurgie) sowie die Basischirurgie (für humanitäre Hilfe) beherrscht, jedoch zusätzlich im Interesse des eigenen Werdeganges und des Heimatkrankenhauses auch zu einem Spezialisten in (s)einer chirurgischen Disziplin weitergebildet wird (für den zivilen Bereich). Dies ermöglicht ihm, im Einsatz alle lebensgefährdenden chirurgischen Notfallsituationen der verschiedenen chirurgischen Fächer zu erkennen und zu behandeln. Zusätzlich kann er schwierige komplexere Problemsituationen einer Lösung zuführen. Die Versorgung im Bereich der Fachgebiete, in denen er keine fachärztliche Kompetenz besitzt, kann sich hierbei ausschließlich auf Notfallmaßnahmen und Maßnahmen zur Herstellung der Transportfähigkeit beschränken (Notkompetenz). Er kennt die Leistungsfähigkeiten der unterschiedlichen Ressourcen und medizinischen Einrichtungen der Bundeswehr in den Einsatzgebieten, kann sich hier auf den jeweiligen Ebenen einbringen und die jeweils angemessenen Behandlungsschritte so durchführen, dass auch bei mehreren Behandlungseinrichtungen ein kontinuierliches und erfolgreiches Behandlungskonzept durchgeführt wird.
Vorgaben für den Kompetenzerhalt
Nach Erreichen der zunächst noch bundeswehrinternen Qualifikation „Einsatzchirurg“ ist die dauerhafte und umfassende operative Tätigkeit im eigenen Fachgebiet unabdingbar. Der dauerhafte Erhalt, der das Fachgebiet überschreitenden Notkompetenz, erfordert eine regelmäßige Tätigkeit in den Gebieten, in denen er nicht arbeitstäglich eingesetzt ist sowie die Wiederholung der drei einsatzrelevanten Kursmodule. So muss beispielhaft der Unfallchirurg die Kompetenz in den Fachgebieten der Thorax-, Viszeral- und Gefäßchirurgie erhalten. Hierbei ist es zunächst sekundär, ob er seine Notkompetenz durch gezielte Teilnahme an einzelnen Operationen (z. B. reine Teilnahme des Facharztes für Orthopädie/Unfallchirurgie an einer gewissen Anzahl einsatzrelevanter arterieller Rekonstruktionen der gefäßchirurgischen Klinik) erhält oder ob er mehrere Wochen in diesem Fachgebiet hospitiert. Immer muss hierbei der Erwerb und Kompetenzerhalt der jeweiligen Expertise im Vordergrund stehen (z. B. Indikationsstellung, Technik des Zugangs, arterielle Gefäßrekonstruktion mittels Bypass, Gefäßanastomose, Gefäßnahttechnik) und nicht die Dokumentation der reinen Anwesenheit – es geht um die Inhalte. Als Zeitansatz ist hierfür eine Mindestdauer von fünf Monaten Kompetenzerhalt pro fünf Jahre anzusetzen. Nach erfolgreichem Abschluss dieser Fortbildung verlängert sich der offizielle Zuerkennungszeitraum um weitere fünf Jahre.
Notwendigkeit der Evaluation
Wenn auch ein Weiterbildungskonzept und ein Weiterbildungscurriculum „Einsatzchirurgie“ erarbeitet wurde, erfordert ein zeitgemäßes Arbeiten mit diesem Konzept eine quantitative und qualitative sowie valide Erfassung der Qualität der Ausbildung/der Ausbildenden (Prozessqualität) und auch des Ergebnisses aller „Bemühungen“ – die Qualität der Ausgebildeten (Ergebnisqualität). Die Evaluation soll nicht nur die Kontrolle der Weiterbildung ermöglichen, sondern auch bei der Analyse des Weiterbildungsbedarfes helfen und weitere notwendige Veränderungen in Gang setzen. Angesprochen sollen mit dieser Evaluation nicht nur Erwartungen und Bedürfnisse des Weiterbildungsreferates des Sanitätsdienstes und der Abteilung Bundeswehrkrankenhausmanagement, sondern auch die der einzelnen weiterbildenden Abteilungsleiter und die in der Weiterbildung zum SanStOffz EinsatzChirurg befindlichen Ärzte.
In wie weit sich aus dem Evaluationskonzept bereits in der unmittelbaren Vergangenheit Steuerungsparameter für die Entwicklung des einsatzbezogenen chirurgisch operativen Kompetenzerwerbs ableiten ließ, soll an einem Beispiel dargestellt werden: Wenn auch das Evaluationskonzept plausibel und reliabel sein und überwiegend auf objektive Parameter fokussieren sollte, wurde Ende 2010 unter einem Teil der chirurgischen Fachärzte des Sanitätsdienstes eine Abfrage im Sinne einer Selbsteinschätzung durchgeführt. Hierbei war gebeten worden, einer Liste mit knapp einhundert chirurgischen Schlüssel-Notkompetenzen das jeweils eigene Vermögen/das eigene Gefühl der Sicherheit bei der Durchführung der jeweiligen Maßnahme zuzuordnen („kann ich gut“, „wird eher klappen“, „wäre mir eher unsicher“, „sehr unsicher“). Ebenso wurde nach Schulungsbedarf in den jeweiligen Kompetenzen/Wissensgebieten gefragt („ja“, „nein“). Die Liste war bereits Jahre zuvor erarbeitet worden und beinhaltet die Kompetenzen, die vor dem Hintergrund der in Afghanistan gemachten Erfahrungen als wichtig beurteilt wurden. Abgestimmt wurden hierfür die gesammelten Erfahrungen mit den Inhalten der vorwiegend US-amerikanischen Literatur und den core skills, die im DSTC-Begleitbuch [2] als solche definiert wurden.
Das Ergebnis der Abfrage ließ eine Reihung der Notkompetenz-Liste in der Reihenfolge einer errechenbaren Lehrpriorität zu (Abb. 5). Hierbei zeigte sich eine Über-Repräsentanz gefäßchirurgischer Inhalte, was dann dazu führte, dass das Modul 2, der Gefäßchirurgische Nahtkurs in das Einsatzausbildungskurskonzept aufgenommen und erstmals im April 2011 mit 24 Teilnehmern durchgeführt wurde. In der Folgezeit soll er ein (2012) bis zweimal jährlich (ab 2013) durchgeführt werden.
Entscheidend wird in der nahen Zukunft jedoch sein, Parameter zu definieren, mit deren Hilfe man den Erfolg von Weiterbildungsmaßnahmen und die Qualität der Weiterbildung objektiv ohne Rückgriff auf Surrogat-Parameter (Lernbedingungen) evaluieren kann. Die Evaluation wird nicht nur erforderlich, um die Effektivität der Lehrbemühungen zu optimieren, sondern auch um den Kostenträger von der Sinnhaftigkeit der durch ihn finanzierten Bemühungen zu überzeugen.
Zusammenfassung und Schlussbemerkungen
Vor dem Hintergrund der fachlichen Anforderungen an einen Militärchirurgen, die sich aus den Einsatzerfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte ableiten lassen und der zugrunde liegenden zivilen berufspolitischen Vorgaben wurde ein zukünftiges Weiterbildungsprogramm für den chirurgisch tätigen Sanitätsoffiziers erarbeitet. Nach Erörterung des Vorhabens bei der Bundesärztekammer und der Gemeinsamen Weiterbildungskommission (Berufsverband der Deutschen Chirurgen und Chirurgische Fachgesellschaften) wurde das hier nun vorgestellte Weiterbildungskonzept Mitte des Jahres 2009 durch den Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr angewiesen. Somit ist es für den jungen werdenden Chirurgen derzeitig verpflichtend zwei Facharztqualifikationen zu erwerben. In das „DUO plus“-Modell werden zusätzlich Kompetenzen anderer operativer Fachgebiete sowie militärfachliche Inhalte integriert. Bei Erreichen der erforderlichen Kompetenz wird die bundeswehrinterne Bezeichnung „Einsatzchirurg“ offiziell zugeteilt. Die Anerkennung ist beschränkt auf einen Zeitraum von fünf Jahren, in denen festgelegte Kurse und Einzelkenntnisse, wie auch Operationen für einen Kompetenzerhalt wiederholt werden müssen, um dann eine erneute Anerkennung zu erhalten. Unbenommen von dem in der Regel geplanten Einsatz als „Solist“ besteht selbstverständlich immer die Möglichkeit, lageabhängig ein bereits vor Ort arbeitenden Teams durch weitere chirurgische Kollegen mit komplementären Facharztweiterbildungen zu verstärken.
Überlegungen, die angestellt werden müssen, um auch zukünftig bei zunehmender Spezialisierung eine chirurgische Notkompetenz in besonderen Situationen, wie z. B. dem Auslandseinsatz eines chirurgisch tätigen Sanitätsoffiziers zu gewährleisten, dürfen vermutlich jedoch nicht auf den rein militärischen Bereich beschränkt bleiben. Auch der zivile Bereich wird sicherlich kritisch dem fachlich begründeten Weg der Spezialisierung gegenüberstehen und berücksichtigen wollen, dass auch im zivilen Umfeld, Ärzte in einzelnen Szenarien für die Notfall-Versorgung auf einer breiten fachlichen Basis gefordert sein könnten – als Reservisten im Militäreinsatz, im Rahmen humanitärer Hilfe und bei größeren, möglicherweise überregionalen Notfallereignissen in Deutschland.
In einer breiten Diskussion dieser Gedanken kritisierte Donald D. Trunkey in seinem Artikel „In Search of Solutions“ den gefährlichen Trend der Super-Spezialisierung innerhalb der US-Chirurgie und die Ausrichtung der Strukturen auf Profit-Center [3]. So hatte er bereits 2002, adressiert vor allem an das American Board of Surgery, formuliert:
„I propose that we train a surgeon who is qualified to care for most surgical emergencies in the first 24 hours of that patient’s injury. Furthermore, this surgeon should also be trained to provide intensive care for the patient. Specifically, the surgeon should be trained to care for the great majority of injuries requiring torso surgery. This surgeon should also be able to apply external fixation to fractures or perform intramedullary fixation. The criteria for such fracture treatment could be established jointly by the orthopedic community and general surgeons. The precedent for this model has been shown to work in Europe. I also believe such a surgeon should be able to decompress intracranial hemorrhage such as subdural or epidural hematomas. … A surgeon trained in these techniques would also care for the more common surgical emergencies that vex emergency rooms: appendectomies, perforated colons, and the like. We could call such a specialty „emergency surgeon“. Such a surgeon would be optimal for military use because this would reduce the number of personnel that would make up the fast forward teams.“
– heute, acht Jahre später, eine auch in Deutschland hochaktuelle Aufforderung.
Literatur
[1] Weizsäcker-Kommission (auch: Wehrstrukturkommission oder Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“) war eine von der Bundesregierung berufene Kommission unter der Leitung des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Die unabhängige Kommission sollte die sicherheitspolitischen Risiken und Interessen Deutschlands untersuchen und Empfehlungen geben, wie die Bundeswehr künftig ihre Aufgaben im Rahmen einer umfassenden Sicherheits- und Verteidigungspolitik wahrnehmen könnte. Sie arbeitete vom Mai 1999 bis zum Mai 2000. Neben v. Weizsäcker gehörten der Kommission 19 weitere Mitglieder aus verschiedenen Gesellschaftsbereichen an. Die Kommission legte ihren Bericht am 23. Mai 2000 vor.
[2] Boffard KD (2007) Manual of Definitive Surgical Trauma Care. 2nd Edition. Appendix D (DSTCTM course – core surgical skills). Hodder, Arnold, London, UK (ISBN: 978-0-340-94764-7)
[3] Trunkey D (2002) In search of solutions. J Trauma 53:1189-1191
Willy C. / Huschitt N. / Lieber A. Das Weiterbildungskonzept für den „Einsatzchirurgen“ der Bundeswehr. Passion Chirurgie. 2012 April; 2(04): Artikel 02_05.