01.02.2015 Politik
Das Ende der Mittelstandsanleihen

Zum Jahresende 2014 gaben die Wertpapierbörsen Stuttgart und Düsseldorf wegweisende Entscheidungen bekannt, die aufgrund der Turbulenzen um den russischen Rubel und die Entwicklung des Ölpreises weitgehend untergingen. Allerdings haben sie weitreichende Folgen für den Finanzplatz Deutschland. Die Börse Stuttgart wird keine neuen Mittelstandsanleihen mehr zur Emission zulassen, die Börse Düsseldorf streicht aus diesem Anleihesegment den Begriff Mittelstand.
Nun fragt man sich, weshalb die beiden Regionalbörsen, die erst vor wenigen Jahren dieses Anleihesegment eingeführt haben, diese Schritte gehen. Gerade der deutsche Mittelstand ist doch der Inbegriff der Seriosität und Solidität. Aber genau dort beginnt das Problem: Was möglicherweise gut gemeint war, rutscht zunehmend in die Rubrik „schlecht gemacht“ ab. Mit dem Konstrukt einer Mittelstandsanleihe sollte mittelständischen Unternehmen aus Deutschland die Möglichkeit gegeben werden, sich unabhängiger von Kreditinstituten zu finanzieren. Es klang nach einem Vorteil für alle Beteiligten. Die Kreditinstitute konnten so ihre knapper werdenden Kreditressourcen durch höhere Eigenkapitalanforderungen und die Verschärfung der aufsichtsrechtlichen Regelungen anders aufgliedern. Das kreditsuchende Unternehmen hatte den Vorteil, mit dem Kapitalmarkt einen finanzstarken weiteren Partner hinzuzugewinnen. Anleger haben von den teilweise interessanten Zinsangeboten der emittierenden Unternehmen profitieren können.
Allerdings setzte dort das Problem ein. Die Zinsen lagen deutlich über dem Kapitalmarktniveau. So gab es nicht wenige Emittenten von Mittelstandsanleihen, die Zinskupons von 6 % oder 7 % pro Jahr boten. Dort war der Zinssatz tatsächlich noch ein verlässlicher Risikoindikator, weil kein solide aufgestelltes Unternehmen in einem Umfeld, in dem die 10-Jahres-Rendite für Bundesanleihen bei deutlich unter 1 % p. a. liegt, solche Konditionen bieten oder bei klassischen Finanzierungen akzeptieren muss. Entsprechend wurden viele Anleihen von Anbietern emittiert, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit fraglich war. Gleichzeitig haben Kreditinstitute dann von diesem Unternehmen gefordert, dass die verbleibenden Kredite entsprechend abgesichert wurden. Damit wurden mit Mittelstandsanleihen häufig bonitätsschwächere Emittenten finanziert, bei denen die Kapitaldienstfähigkeit – also die Fähigkeit, jährliche Zinszahlungen und zum Ende der Anleihe die Rückzahlung zu leisten – fraglich war. Gleichzeitig waren die Anleger entsprechender Anleihen bei Zahlungsschwierigkeiten in einer relativ schlechten Position, da vielfach die vorhandenen Werte der Unternehmen als Sicherheit für Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten zur Verfügung gestellt werden mussten. Entsprechend gab es eine unglückliche Kombination aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten und schlechter Besicherungsposition bei den Emittenten vieler Mittelstandsanleihen. Dies traf auf Anleger, die allerdings davon ausgingen, im soliden deutschen Mittelstand zu investieren.
Entsprechend lagen die Risikoerwartungen weit auseinander. Weder die begleitenden Kreditinstitute noch die Regionalbörsen Stuttgart und Düsseldorf taten etwas, um dieser unterschiedlichen Risikowahrnehmung entgegenzutreten. Man hätte zum einen die Zulassungskriterien für solche Anleihen verschärfen können. Zum anderen wäre die Aufklärung der Anleger über die wirklich vorhandenen Risiken sinnvoll gewesen.
Hier haben sicherlich auch die Ratingagenturen ebenso versagt, wie die Verkäufer dieser Anleihen, die häufig über die gängigen Kreditinstitute vertrieben wurden. Nur wenige Anbieter – wie beispielsweise auch der unabhängige Vermögensverwalter DVAM Deutsche Vorsorge Asset Management GmbH – hat frühzeitig und nachhaltig vor diesen Anlagen gewarnt. Bei einer früheren Analyse der DVAM wurden von damals 159 bestehenden Mittelstandsanleihen 158 als hoch risikoreich eingestuft. Diese Gefahren wurden vielfach aber nicht wahrgenommen. Daher sind viele Privatanleger von den Insolvenzen überrascht worden. In der Folge trat eine große Unsicherheit zum Mittelstandssegment ein.
Dazu haben sicherlich auch Unternehmen beigetragen, deren wirtschaftliche Zahlen sich nach Emission der Anleihe deutlich verschlechtert haben. Ein Beispiel ist der Freizeitartikelhersteller Friedola, der u. a. Schwimmflügel für Kinder herstellt. Dessen Eigenkapital ist in den Jahren nach Emission einer Mittelstandsanleihe von 36 % auf ca. 12 % abgerutscht, weil das Unternehmen in den letzten Jahren regelmäßige Verluste hinnehmen musste. Aber schon bei Auflage der Emission reichte der Jahresüberschuss nicht aus, um die jährlichen Zinsen zu bezahlen. Entsprechend wäre hier ein regulatorischer Eingriff sinnvoll gewesen. Inzwischen notiert die Friedola-Anleihe nur noch bei ca. 40 % und bietet eine Rendite von mehr als 60 % p. a. Diese Zahlen zeigen, dass es nicht zwangsläufig zu einer Insolvenz eines Unternehmens kommen muss, um Wertverluste und Wertrisiken für Anleger in Mittelstandsanleihen zu haben.
Mit solchen Entwicklungen, aber vor allem der Vielzahl der Insolvenzen war die Reputation des Mittelstandssegments verloren. Vieles erinnert an die Entwicklung der Jahrtausendwende, als der „Neue Markt“ Unternehmen den Börsenzugang ermöglichte, die ihren Erfolg vor allem in der Anzahl von Internetseitenaufrufen oder möglichst innovativen Namen definierten. Der weitere Verlauf von solchen Unternehmen und damit den gesamten Index, der heute TecDAX heißt, ist hinlänglich bekannt. Ein ähnliches Schicksal droht der guten Idee der Mittelstandsanleihen, da die Börse Stuttgart keine neuen Emissionen mehr annimmt und – sofern es planmäßig funktioniert – im Jahr 2019 dieses Segment im Rentenhandel beenden wird. Die Börse Düsseldorf geht hier nicht ganz so weit, wird aber zukünftig aus diesem Segment den Namen Mittelstand streichen.
So gut die nun ergriffenen Maßnahmen für Privatanleger sind, so spät kommen sie. Vor allem stellen sie dem Finanzplatz Deutschland kein gutes Zeugnis aus, da es sinnvoll wäre, soliden Unternehmen eine Möglichkeit zu geben, sich bankenunabhängiger zu refinanzieren. Dies dürfte auf absehbare Zeit gescheitert sein. Kommen dann noch in den nächsten Jahren strukturelle Zinsveränderungen hinzu, wird der Rentenmarkt von Anlegern noch kritischer wahrgenommen.
Dies ist allerdings auf die starke öffentliche Wahrnehmung zurückzuführen. Die Behauptung zur Alternativlosigkeit von Aktien und der damit verbundenen kritischen Wahrnehmung von Anleihen hat sich in den letzten Wochen etwas verändert. Entsprechend ist es weiterhin wesentlich, welche Risiken ein Anleger bereit ist zu tragen und darauf die entsprechende Anlagestrategie abzustimmen. Durch die teilweise verschiedenartige Interessenlage von Kreditinstituten, beispielsweise auf der einen Seite Anleiheemissionen zu begleiten und andererseits Kundenprodukte zu verkaufen, ist eine unabhängige Expertise ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Dies reicht von der Anlagestrategie über die Beratung bis zur Information. Hier bietet der wöchentlich per Mail erscheinende DVAM-Finanzmarkt-Newsletter unabhängiges Kapitalmarkt-Know-How. Mitglieder des BDC können den DVAM-Finanzmarkt-Newsletter kostenlos und unverbindlich unter info@dv-am.de anfordern.
Schön M. Das Ende der Mittelstandsanleihen. Passion Chirurgie. 2015 Februar; 5(02): Artikel 06_01.
Autor des Artikels

Markus Schön
GeschäftsführerDVAM Deutsche Vorsorge Asset Management GmbHKlingenbergstr. 432758Detmold kontaktierenWeitere aktuelle Artikel
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