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Ärzte dürfen ihre Praxis während der Sprechstundenzeiten nicht schließen, um an Warnstreiks teilzunehmen. Das hat das Bundessozialgericht am Mittwoch in einem Urteil bestätigt.

In einer Pressemitteilung führt das Bundessozialgericht (BSG) zur Begründung an, dass derartige, gegen gesetzliche Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) gerichtete „Kampfmaßnahmen“ mit der gesetzlichen Konzeption des Vertragsarztrechts unvereinbar seien. Dem Kläger stehe kein durch die Verfassung oder die Europäische Menschenrechtskonvention geschütztes „Streikrecht“ zu.

Allgemeinmediziner hatte gegen KV geklagt

Geklagt hatte ein Allgemeinmediziner, der im Herbst 2012 seine KV darüber informiert hatte, dass er zusammen mit fünf anderen Vertragsärzten „das allen Berufsgruppen verfassungsrechtlich zustehende Streikrecht“ ausüben und deshalb an zwei Tagen seine Praxis schließen werde.

Die KV erteilte dem Arzt daraufhin einen Verweis als Disziplinarmaßnahme, da er durch die Praxisschließungen seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt habe. Das vom Arzt eingeschaltete Sozialgericht wies die hiergegen erhobene Klage ab. Ein Streikrecht als Grund für eine Unterbrechung der Praxistätigkeit sei im Vertragsarztrecht nicht vorgesehen.

Vertragsärztliche Pflichten verletzt

Die dagegen eingelegte Sprungrevision hat der 6. Senat des Bundessozialgerichts am Mittwoch zurückgewiesen. Der Kläger habe seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt, heißt es in der Pressemitteilung. Vertragsärzte müssten während der angegebenen Sprechstunden für die vertragsärztliche Versorgung ihrer Patienten zur Verfügung stehen („Präsenzpflicht“). Etwas Anderes gelte etwa bei Krankheit oder Urlaub, nicht jedoch bei der Teilnahme an einem „Warnstreik“.

Das Gericht wies darauf hin, dass der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des Vertragsarztrechts die teilweise gegenläufigen Interessen von Krankenkassen und Ärzten zum Ausgleich gebracht habe, um auf diese Weise eine verlässliche Versorgung der Versicherten zu angemessenen Bedingungen sicherzustellen. Es bestehe ein „hohes Maß an Autonomie bei der Regelung der Einzelheiten der vertragsärztlichen Versorgung“. Dementsprechend würde auch die ärztliche Vergütung zwischen Krankenkassen und KVen ausgehandelt.

Streik keine Option bei Vergütungskonflikten

Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung sei den KVen als Körperschaften des öffentlichen Rechts übertragen worden, heißt es in der Mitteilung weiter. In diesen Sicherstellungsauftrag sei der einzelne Vertragsarzt aufgrund seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung und seiner Mitgliedschaft bei der KV eingebunden.

„Konflikte mit Krankenkassen um die Höhe der Gesamtvergütung werden in diesem System nicht durch ‚Streik‘ oder ‚Aussperrung‘ ausgetragen, sondern durch zeitnahe verbindliche Entscheidungen von Schiedsämtern gelöst“, schreibt das BSG. Die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs würde im Streitfall durch unabhängige Gerichte überprüft.

(BSG-Urteil / Aktenzeichen: B 6 KA 38/15 R)

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, http://www.kbv.de, 01.12.2016

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