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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

diejenigen unter Ihnen, die bereits Mitglieder im BDC sind, haben offensichtlich im Rahmen einer Entscheidungsfindung erkannt, wie wichtig aktive Berufspolitik ist. Der BDC ist der größte chirurgische Berufsverband in Europa. Da drängt sich zwangsläufig die Frage auf, welche spezifischen Themen im Referat Thoraxchirurgie für eine zahlenmäßig vergleichsweise kleine Berufsgruppe als relevant erachtet werden.

Die Profession

Erst in den vergangenen 50 Jahren hat sich eine hochspezialisierte Thoraxchirurgie entwickelt, was folgerichtig vor nunmehr 26 Jahren zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT), als wissenschaftliche Fachgesellschaft geführt hat. Ein Professionalisierungsprozess ist aber nie abgeschlossen und strebt in seiner Dynamik nach einem immer höheren Grad an beruflicher Organisation.

Die Thoraxchirurgie muss nicht nur in Anlehnung an die verwendeten Methodiken oder nach anatomischen Gesichtspunkten als „Schnittstellen“-Fach betrachtet werden, sondern insbesondere auch durch die vielschichtigen fachlichen wie auch arbeits-alltäglichen Berührungspunkte zu anderen medizinischen Disziplinen. Dies erfordert nicht nur die wissenschaftliche Bearbeitung der entstehenden „Schnittmengen“, sondern speziell die Implementierung von Arbeitsabläufen, die Entwicklung von Arbeitsprofilen und ggf. auch eine Definition von klaren Abgrenzungen. So wurde beispielsweise eine Arbeitsgemeinschaft „Thoraxtrauma“ gegründet, um an der Schnittstelle zur DGOU gemeinsam Behandlungsabläufe in Traumazentren zu erarbeiten. Der klare Trend weg von einer methodendefinierten Medizin hin zu einer organbezogenen Medizin macht es für die Thoraxchirurgie notwendig, sich in eine vertiefte inhaltliche wie auch organisatorische Diskussion mit den hauptsächlichen Behandlungspartnern zu begeben, wie es aktuell insbesondere mit der Pneumologie und der Onkologie stattfindet.

Innerhalb dieser Bestrebungen müssen letztlich berufsständische Normen entwickelt werden und eine Art „Code of Ethics“, der dann auch an die Ärztekammern herangetragen wird, denen die Aufsicht obliegt über unseren freien Beruf. So forciert die Thoraxchirurgie in hohem Maße das Ausbildungsniveau „Facharzt“ als Grundlage und vor allem als Legitimation für das Handeln am Patienten. Kostenträger müssen ebenso wie Versicherungen bewogen werden, sich dieser Haltung anzuschließen.

Grundlage und integraler Bestandteil eines jeden Professionalisierungsprozesses ist ein System der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Deshalb muss sich die Thoraxchirurgie genau an diesem Punkt in besonders aktiver Weise in die Erarbeitung der neuen Muster-Weiterbildungsordnung und die Umsetzung auf Ebene der jeweiligen Landesärztekammern einbringen. Die DGT organisiert zusammen mit dem BDC Weiterbildungsseminare für die Facharzt-Ausbildung und die Akademie der DGT bündelt und zertifiziert das breitgefächerte Weiterbildungsangebot, das national besteht. Die Möglichkeit, sich auch nach dem Erwerb der Facharztqualifikation hin zum Zertifikat „Spezielle Thoraxchirurgie“ weiterzubilden, bildet ein Anreizsystem für die Leistungsträger im klinischen Alltag.

Zu einer Zeit, in der die Qualität medizinischer Leistungen in den besonderen Fokus öffentlicher und politischer Diskussionen geraten ist, sind besonders die Berufsverbände und Fachgesellschaften in die Pflicht genommen, diese Diskussion zu antizipieren und auf Basis des eigenen Wissens Vorgaben für die Prozess-, Struktur- und Ergebnisqualität zu entwickeln. So wurde ein Zertifizierungssystem für das Leistungs- und Qualitätsniveau eines „Thoraxzentrums“ geschaffen. Den aktiven klinischen Einheiten muss geholfen werden, dieses Qualitätsniveau zu erreichen, bzw. Unterstützung angeboten werden in der Diskussion mit den Geschäftsführungen vor Ort, für die Akzeptanz dieses Vorgehens. Wenn teure und komplikationsträchtige Behandlungsmethoden wie Interventionen/Operationen bei Lungenemphysem durch das IQTIG gesundheitspolitisch auf den Prüfstand gestellt werden, dann muss die thoraxchirurgische Expertise adäquat in die Diskussion eingebracht werden.

Die Arbeitsbedingungen

Die Summe der berufsspezifischen Arbeitsbedingungen, wie sie von Studenten, Auszubildenden, Angestellten und auch der Öffentlichkeit objektiv oder auch subjektiv wahrgenommen wird, entscheidet letztlich darüber, ob ein Beruf als „attraktiv“ betrachtet wird.

Dabei muss im Wesentlichen zwischen den rechtlichen und den tatsächlichen Umständen unterschieden werden, unter denen die Arbeit zu erbringen ist. Die rechtlichen Arbeitsumstände sind überwiegend ein Thema der Gewerkschaften. Dagegen sind in einem jungen klinischen Fach wie der Thoraxchirurgie gerade die tatsächlichen Arbeitsbedingungen und auch die Arbeitsressourcen ein Diskussionsfeld, auf dem den Arbeitgebern und ggf. auch deren Consulting-Partnern nur ungenügend valides Zahlen- und Datenmaterial zur Verfügung steht. Bereits seit Jahren bemühen sich engagierte Mitglieder der DGT und des BDC auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene Kennzahlen zu entwickeln sowohl für die Struktur- als auch für die Personalressource. Angepasst an das Arbeitszeitgesetz und unter Integration des Qualitätsdogmas der ständigen Verfügbarkeit von Facharztkompetenz ist damit ein brauchbares Ressourcenkonzept entwickelt worden, das gut in den praktischen Klinikalltag transportiert werden kann.

Der Anteil der weiblichen Mitarbeiterinnen steigt auch in den chirurgischen Kollegien stetig, ist aber gemessen an der Zahl der Studien-Absolventinnen noch nicht repräsentativ. Nach verschiedenen Erhebungen und Befragungen haftet den chirurgischen Fächern nicht nur das Image der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf an, sondern zum Teil herrschen auch immer noch entsprechende Arbeitsrealitäten. Gerade die Thoraxchirurgie war hier frühzeitig initiativ mit einer Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Fachgesellschaft (FIT = Frauen in der Thoraxchirurgie) gut aufgestellt, auf diesem Themenfeld gestalterisch mitzuwirken und auch informativ tätig zu sein. Die Thoraxchirurgie ist besonders geeignet, Karriere und Familienplanung zu koordinieren, was dem hohen Anteil von elektivem Arbeitsaufkommen geschuldet ist.

Längst ist es keine These mehr, sondern Realität, dass in der medizinischen Versorgung innerhalb Deutschlands das Prinzip der Rationierung Einzug gehalten hat, gekoppelt an entsprechend starre und unflexible Planungs-Strategien. Ein junges klinisches Fach wie die Thoraxchirurgie, die eine methodische Spezialisierung beinhaltet, muss in diesem Umfeld berufspolitisch auch darauf ausgerichtet sein, in der Diskussion mit Politik und Kostenträgern den Raum zu bewahren und zu gestalten, der für wissenschaftlichen und operations-technischen Fortschritt benötigt wird, ganz zu schweigen von den Herausforderungen, die im Zeitalter der Digitalisierung entstehen.

Zur Thematik der Arbeitsbedingungen gehört integral auch das Vergütungssystem. Das DRG-System zur Vergütung von Klinikleistungen muss ständig nachjustiert werden, manche Leistungen werden nicht abgebildet. Eine Kommission der DGT widmet sich diesem Thema, das „beständig“ betrieben werden muss. Die überfällige Novelle der GOÄ schmort seit Jahren im Saft von unzulänglichen Systematiken, der genannten Rationierung und den Partikularinteressen aller Beteiligten. Die Thoraxchirurgie muss sich hier stetig und rational in die Gestaltung mit einbringen, um als ein Faktor mit nur geringer wirtschaftlicher Bedeutung nicht in einem Einheitsbrei unterzugehen.

Die Zukunft

Die berufspolitische Gestaltung der Gegenwart muss unabdingbar verknüpft sein mit der Vorbereitung der Zukunft und der Antizipation von Zukunftsthemen.

Die Zukunft gehört dem Nachwuchs und in beinahe allen chirurgischen Fächern bildet sich derzeit ein Nachwuchsmangel aus. Untersuchungen der Generationenforschung haben gezeigt, dass die neue Generation „Y“ sehr klare Vorstellungen hat in Bezug auf die Individualität der eigenen Lebensgestaltung und vor allem auch auf die Gewichtung der einzelnen Lebensbereiche. So erhalten subjektive Faktoren in der Berufswahl wie das Image eines klinischen Faches und dessen vermeintliche Arbeitsbedingungen gravierende Bedeutung. Es muss somit Anliegen aller sein, die dieses Thema bearbeiten, dass schon frühzeitig während des Studiums Informationsstrategien zum Tragen kommen, die neben der sachlichen Information auch dem Abbau von Vorurteilen und der Image-Pflege dienen. Mit dem Aufgreifen der BDC-Kampagne „Nur Mut! Kein Durchschnittsjob: ChirurgIn“ oder der Initiative „Perspektivforum Junge Chirurgie“ innerhalb der Fachgesellschaft möchte die Thoraxchirurgie die Folgegeneration ermutigen, aktivieren und vor allem beteiligen am Gestaltungsprozess der eigenen Zukunft. Fördermaßnahmen für wissenschaftliche Arbeit, Preise und Stipendien, Zugangserleichterung zu Kongressen und Fachliteratur, subventionierte Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Vereinigungen und ein ganzes Programm der Fort- und Weiterbildung bilden einen Maßnahmenkatalog, der zur Förderung des Nachwuchs dient. Die nächste Generation sollte jedoch nicht nur „bespielt“ werden, sondern konkret in die Gestaltung der Zukunft eingebunden werden.

Die historische Entwicklung des Faches Thoraxchirurgie führte dazu, dass immer noch zu wenige eigenständige Abteilungen für Thoraxchirurgie an Universitäten existieren. Hier besteht die Notwendigkeit, die universitären Kollegien informativ und planerisch zu unterstützen, sich diesem wichtigen Zukunftsthema der Thoraxchirurgie zu stellen und es zu betreiben.

Im Zeitalter eines professionellen Lobbyismus kann überhaupt nur noch der im politischen Entscheidungsprozess ein Gehör finden, der mit „lauter“ Stimme spricht. Innerhalb der Thoraxchirurgie besteht Einigkeit darüber, dass es so viele gemeinsame aktuelle wie auch zukünftige Anliegen aller chirurgischen Fächer gibt, dass die „Einheit der Chirurgie“ unabhängig von den jeweiligen fachlichen Spezialisierungen einen notwendigen Prozess darstellt. Die Thoraxchirurgie wird diesen Zukunftsschritt aller deutschen Chirurgen vorbehaltlos unterstützen.

Kugler C: Berufspolitische Themen im Fachbereich Thoraxchirurgie. Passion Chirurgie. 2017 Oktober, 7(10): Artikel 05_01.

Autor des Artikels

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Dr. med. Christian Kugler

Fach-Referat Thoraxchirurgie im BDCChefarzt der Klinik für ThoraxchirurgieLungenClinic GrosshansdorfWöhrendamm 8022927Großhansdorf kontaktieren

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