01.04.2025 Politik
Berufspolitik Aktuell: Strukturelle Reformen als gesellschaftspolitisches Anliegen

Im elfseitigen Sondierungspapier widmen CDU/CSU und SPD der Gesundheitsversorgung lediglich drei Zeilen: „Die Gesundheitsversorgung muss für alle gesichert bleiben. Wir wollen eine große Pflegereform auf den Weg bringen. Wir stehen für eine bedarfsgerechte Krankenhausversorgung in der Stadt und auf dem Land.“ Wie Union und SPD diese Ziele erreichen wollen, erläutern sie nicht.
Mit Gesundheitsthemen lässt sich im Berliner Politikbetrieb bekanntermaßen kaum punkten. Dennoch genießt die Gesundheitsversorgung in Deutschland als ein wesentliches Element staatlicher Daseinsvorsorge ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung. Die Versorgung auf dem in Deutschland gewohnten hohen Niveau aufrecht zu erhalten, ist ein zentrales, nicht nur gesundheits-, sondern auch gesellschaftspolitisches Anliegen. Dies dürfte, spätestens nach dem Ausgang der Wahlen mit hohen Wahlergebnissen für die Parteien am rechten und linken Rand des Spektrums, noch einmal klargeworden sein.
Aktuell steht das Gesundheitssystem vor besonderen Herausforderungen. Einem stetig wachsenden Versorgungsbedarf einer älter werdenden Bevölkerung steht ein wachsender Fachkräftemangel in Deutschland gegenüber. Zudem investiert Deutschland verstärkt in seine Wehrhaftigkeit, und dies wirft eine neue Frage auf, nämlich diejenige nach der Gesundheitsversorgung im Verteidigungsfall. Ziel muss es daher sein, das Gesundheitssystem in seiner Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Daseinsvorsorge und nicht zuletzt auch als Wirtschaftsfaktor zu erkennen und nachhaltig zu fördern. Auch eine neue Bundesgesundheitsministerin oder ein Bundesgesundheitsminister muss sich also mit umfassenden Strukturreformen befassen und die begonnenen Reformen aus der letzten Legislaturperiode nahtlos fortführen.
Der BDC hat seine Kernanliegen daher schon vor der Wahl in dem Papier „Position beziehen – chirurgische Versorgung sicherstellen!“ formuliert und fordert die Politik auf, die folgenden Reformschwerpunkte prioritär anzugehen:
1. Eine sachgerechte Weiterbildung ist die Basis für eine qualitativ hochwertige chirurgische Versorgung. Der BDC bringt das Thema öffentlichkeitswirksam mit der Mobilisierungskampagne „Kein Weiter ohne Bildung“ weiter voran und verlangt eine transparente und auskömmliche Finanzierung der fachärztlichen Weiterbildung im stationären und ambulanten Versorgungsbereich durch leistungsbezogene Zuschläge. Schließlich arbeitet er an einem Servicepaket für die Förderung der Verbundweiterbildung.
2. Bürokratieabbau ist längst überfällig und muss durch ein entsprechendes Gesetz realisiert werden. Der BDC hat dazu Sie, die Mitglieder, befragt und damit offensichtlich den Nerv getroffen. Über 1.300 BDC-Mitglieder beteiligten sich an der Umfrage und machten transparent, dass Chirurginnen und Chirurgen ein besonders hohes Arbeitspensum bewältigen. So gaben 82 % der Vollzeitbeschäftigten an, pro Woche durchschnittlich 49 bis 79 Stunden tätig zu sein. Der Anteil bürokratischer Aufgaben erwies sich als hoch mit rund drei bis vier Stunden täglich bei 67 % der Vollzeitbeschäftigten. Während 94 % der Vollzeitbeschäftigten angaben, dass rund eine bis drei Stunden an bürokratischer Arbeit täglich delegiert werden sollten, sind nur 40 % der Befragten (42 % der Vollzeitbeschäftigten) auch dazu befugt, bürokratische Aufgaben zu delegieren. Die Potentiale der IT scheinen dabei nicht genutzt zu werden, denn mit 88 % beurteilte die große Mehrheit der Befragten den Nutzen der Informationstechnik zur Reduktion des Dokumentationsaufwands als eher gering oder gering.
3. Die Steuerung von Patienten muss verbessert werden. Dafür muss die dringend überfällige Notfallreform in der 21. Legislaturperiode prioritär umgesetzt werden. In einer Stellungnahme haben BDC und DGCH bereits im August 2024 konkrete Lösungsvorschläge zur Umsetzung gemacht.
4. Die Krankenhausreform muss zügig weiterentwickelt werden. Die mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) eingeführte Vorhaltefinanzierung auf Basis von fallzahlbasierten Kalkulationen führt zu Fehlanreizen. Stattdessen fordert der BDC eine grundlegende Überarbeitung der Betriebskostenfinanzierung durch die Partner der Selbstverwaltung.
5. Der BDC fordert für die sektorenübergreifenden Hybrid-DRGs eine angemessene Kalkulation auf Grundlage geeigneter empirischer Kostendaten des ambulanten und stationären Bereichs, eine Staffelung der Vergütung nach der Eingriffsdauer und die Rücknahme der automatischen Honorardegression auf EBM-Niveau bis 2030.
Diese Themen – siehe auch unser aktuelles Positionspapier – wird der BDC bei all seinen Kontakten auch in der neuen Legislaturperiode gegenüber Gesundheitspolitikerinnen und Gesundheitspolitikern prioritär adressieren. Was uns zugutekommt: Anders als vor vier Jahren herrscht im BMG ein hohes Maß an personeller Kontinuität.
Burgdorf F: Strukturelle Reformen als gesellschaftspolitisches Anliegen. Passion Chirurgie. 2025 April; 15(04): Artikel 05_03.
Autor des Artikels

Dr. med. Friederike Burgdorf
GeschäftsführerinBerufsverband der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC)Luisenstraße 58/5910117Berlin kontaktierenWeitere aktuelle Artikel
29.03.2019 Krankenhaus
Digitalisierungs-Rückstand in deutschen Krankenhäusern
Die Krankenhäuser in Deutschland haben erheblichen Nachholbedarf bei der Digitalisierung und beim Technologieeinsatz, wie der neue Krankenhaus-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigt. So erreichten die deutschen Krankenhäuser 2017 in einem internationalen Vergleich auf einer Digitalisierungs-Skala von Stufe 0 bis 7 im Durchschnitt nur den Wert 2,3 und lagen damit unter dem EU-Durchschnitt von 3,6.
28.03.2019 Praxis
Immer weniger Allgemeinchirurgen in der Fläche
Expertenstatement: BDC kritisiert undifferenzierte Bedarfsplanung. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die flächendeckende Patientenversorgung durch Fachärzte zu verbessern, auch in der Chirurgie. Die neue Bedarfsplanung wird nach der Zusammenlegung von Chirurgie und Orthopädie in den kommenden Jahren allerdings dafür sorgen, dass immer mehr klassisch chirurgisch ausgerichtete Facharztsitze von Orthopäden/Unfallchirurgen abgelöst werden.
28.03.2019 Aus- & Weiterbildung
Lunch-Talk des BDC bei der 16. Tagung der Rhein Main AG
Am 09. und 10. Mai 2019 findet in Langen (Hessen) die 16. Tagung der Rhein Main AG Minimal Invasive Chirurgie in der Neuen Stadthalle statt.
27.03.2019 Herzchirurgie
Herzchirurgen fordern Widerspruchslösung
In Deutschland leben 1,8 Millionen Menschen mit einer Herzschwäche, einer Herzinsuffizienz. Davon warten gegenwärtig 700 schwer herzinsuffiziente Patienten auf ein Spenderherz. Viele überbrücken die Zeit mit einem Herzunterstützungssystem. Obwohl die Transplantationszahlen im vergangenen Jahr wieder leicht gestiegen sind, betrachten die deutschen Herzchirurgen den Organmangel mit Sorge und sprechen sich auf einer Pressekonferenz zum 136. Chirurgenkongress für die Widerspruchslösung in Deutschland aus. Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Professor Dr. med. Matthias Anthuber, fordert dies.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.