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Nach gerade einmal zwei Wochen im Amt hatte die neue Gesundheitsministerin Nina Warken anlässlich der Eröffnung des Deutschen Ärztetages ihren ersten Auftritt vor der versammelten Spitze der Ärzteschaft. Trotz der historisch bedeutsamen Kulisse der Leipziger Nicolaikirche als dem Ort, an dem die bekannten Montagsdemonstrationen letztlich zur deutschen Wiedervereinigung geführt hatten, gab es dabei nicht unbedingt ein konkretes Signal zu einem Aufbruch im Gesundheitswesen. Das war auch nicht zu erwarten, weil sich das neu zusammengesetzte Ministerium so kurz nach Amtsantritt erst noch sortieren muss. Insofern wurden lediglich die in weiten Teilen vagen Formulierungen des Koalitionsvertrages vorgetragen. Dennoch gab es eine erkennbare atmosphärische Veränderung gegenüber den beiden Amtsvorgängern. Das Publikum wurde nicht mit Arroganz und Besserwisserei gequält, sondern mit einer ernst gemeinten Absicht, miteinander auf Augenhöhe sprechen zu wollen und die Argumente der Ärzteschaft zumindest anhören zu wollen. Allerdings sollte man keinen Zweifel daran haben, dass am Ende die Politik die Entscheidungen treffen wird, und zwar entlang des Koalitionsvertrages.

Darin findet sich durchaus eindeutig formuliert die Absicht, ein verpflichtendes Primärarztsystem einführen zu wollen, wenn auch mit freier Arztwahl, was an sich einen Widerspruch in sich darstellt. Unsere Aufgabe wird darin bestehen, gemeinsam mit der Selbstverwaltung die konkrete Ausgestaltung einer zwangsweisen Vorschaltung der Hausarztebene vor jedem Facharztbesuch zu präzisieren. Gerade in der Chirurgie kann es nicht sein, dass bei Verletzungen erst der Hausarzt (wann immer es dort einen Termin geben mag) aufzusuchen sein soll, der dann erst die Patienten zum Facharzt überweist. Gleiches gilt für quartalsübergreifende Dauerbehandlungen wie z. B. die Nachsorge nach operativen Eingriffen. Auf den ersten Blick kann ein Hausarztsystem die Facharztpraxen von unnötigen Konsultationen entlasten. Das darf aber keinesfalls zu medizinischen Versorgungsdefiziten für die Patienten führen. Abgesehen davon stellt sich die Frage, wie die ohnehin überlasteten Hausarztpraxen diese massive Mehrbelastung schultern sollen. Der BDC wird jedenfalls seine Kontakte nutzen, hier eine möglichst pragmatische, bürokratiearme und vor allem für die Patienten akzeptable Lösung herbeizuführen.

Ein wichtiges Thema des Ärztetages in Leipzig war die Diskussion um die neue GOÄ. Angesichts des lautstarken Protestes einzelner Mandatsträger und Verbände gegen den mit der PKV ausgehandelten Kompromiss hat der BÄK-Präsident Dr. Reinhardt den Entwurf im Plenum zur Abstimmung gestellt. Dieses letztlich höchste Gremium der Ärzteschaft hat nach ausführlicher Diskussion die neue GOÄ mit überwältigender Mehrheit gebilligt und der Abgabe an den Verordnungsgeber zugestimmt. Jetzt liegt der Ball im BMG. Es bleibt die Frage, ob, bei durchaus kontroversen Meinungen innerhalb der Politik und der fehlenden Aussage zu diesem Thema im Koalitionsvertrag, die Ministerin sich damit befassen will und eine entsprechende Rechtsverordnung erlässt, der dann noch von Bundestag und Bundesrat zugestimmt werden muss. Möglich sind natürlich auch noch neuerliche Eingriffe in das Gebührenwerk durch das Ministerium, das bekanntlich auch die Länder als Träger und Finanziers der Beihilfe berücksichtigen muss. Sollte es tatsächlich zu einer neuen GOÄ kommen, werden wir Sie selbstverständlich umgehend informieren und breit angelegte Schulungen anbieten.

Ebenfalls Tagesordnungspunkt des DÄT war (wie immer) die Weiterbildung. Hier geht es nur sehr langsam voran. Aktuell wurden keine Inhalte der Weiterbildungsordnung diskutiert, sondern nur Formalia. Danach sollen bisherige Zusatzweiterbildungen, die nur von einer Arztgruppe erworben werden können zu Schwerpunkten umgewandelt werden. Zusatzweiterbildungen sind dann fachübergreifend zu erwerben. Für die Chirurgie bedeutet das intensive Diskussionen in unserer gemeinsamen Weiterbildungskommission, weil angesichts der fortschreitenden Spezialisierung immer mehr Subspezialitäten gewünscht werden, die dann entsprechend formuliert werden müssen. Auch das Thema Verbundweiterbildung wurde diskutiert, ohne jedoch zu einer abschließenden Beschlussfassung zu kommen. Bekanntlich hat der BDC dazu schon seit Längerem eigene Positionen entwickelt, die wir in diesem Zusammenhang weiter in die entsprechenden Gremien einbringen werden.

Alles in Allem: Es zeichnet sich eine gewisse Bewegung ab, wenngleich es eher einem Rennen zwischen Schnecke und Schildkröte gleicht. Hoffen wir nur, dass keine von beiden vor Erreichen des Ziels auf der Strecke bleibt.

Rüggeberg JA: Heiße Luft oder tatsächlich Bewegung? Passion Chirurgie. 2025 Juli/August; 15(07/08): Artikel 05_02.

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Dr. med. Jörg-Andreas Rüggeberg

Vizepräsident des BDCReferat Presse- & Öffentlichkeitsarbeit/Zuständigkeit PASSION CHIRURGIEPraxisverbund Chirurgie/Orthopädie/Unfallchirurgie Dres. Rüggeberg, Grellmann, HenkeZermatter Str. 21/2328325Bremen kontaktieren

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