01.05.2025 Politik
Berufspolitik Aktuell: Alte Ideen, neu verpackt

„Wir wollen eine gute, bedarfsgerechte und bezahlbare medizinische und pflegerische Versorgung für die Menschen im ganzen Land sichern.“ Mit diesem ebenso wohltönenden wie nichtssagendem Satz beginnt im Koalitionsvertrag der Abschnitt zu den gesundheitspolitischen Absichten der neuen Bundesregierung. Das stand so ähnlich in nahezu allen Vorläuferversionen der letzten Jahre und wir wissen, was am Ende dabei herausgekommen ist. Interessant ist allenfalls, dass es nicht mehr „wir werden“, sondern nur noch „wir wollen“ heißt. Wünschen kann man Vieles, Absichtserklärungen sind noch keine konkreten Gesetzespläne. Da passt es ins Bild, dass die zentrale Herausforderung der Stabilisierung der Gesundheitskosten erstmal nach altem Muster in eine Kommission abgeschoben wird, die erst in zwei Jahren Vorschläge präsentieren soll. Wie immer haben die politisch Verantwortlichen nicht den Mut, der Bevölkerung auch nur ansatzweise eine Reduktion von Leistungen zuzumuten, da versucht man lieber, bei den Leistungserbringern zu sparen, so wie all die Jahre zuvor mit den diversen „Verbesserungsgesetzen“.
Originell ist dabei ein Ansatz, der seinerzeit von der SPD-Ministerin Ulla Schmidt gegen den Widerstand der Union nicht umgesetzt werden konnte, jetzt aber von einem CDU-Minister realisiert werden soll: das Primärarztsystem. Einen direkten Zugang zu Fachärzten soll es nicht mehr geben, stattdessen legen Haus- und Kinderärzte oder die von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) betriebene Rufnummer 116 117 den medizinisch notwendigen Bedarf für einen Facharzttermin fest und legen den dafür notwendigen Zeitkorridor (Termingarantie) fest. Wenn das nicht klappt, sollen die Fachärzte an den Krankenhäusern dann die ambulante Versorgung übernehmen. Offenbar ist den Koalitionären entgangen, dass es dort zumindest derzeit überhaupt gar keine ausreichenden Kapazitäten für die Millionen zusätzlicher Behandlungsfälle gibt. Letztlich ist das Ganze dann eben doch eine verkappte Rationierung, denn in dem Nadelöhr Primärarzt werden viele Patientinnen und Patienten hängen bleiben, man möge nur ins Nachbarland Niederlande blicken. Allerdings soll im Hausarztbereich das Personalangebot aufgestockt werden, indem pro Arzt nunmehr zwei Weiterbildungsassistenzen ermöglicht werden, von einer fachärztlichen Weiterbildung in unseren Praxen ist selbstverständlich keine Rede.
Außerdem werden Fachärzte auch honorartechnisch beglückt durch eine Entbudgetierung in unterversorgten Gebieten (die es aber praktisch nicht gibt!). In (drohend) unterversorgten Gebieten soll es Zuschläge zum, in überversorgten Gebieten (größer 120 Prozent) Abschläge vom Honorar geben. Mit anderen Worten: die meisten Kolleginnen und Kollegen, können mit Abschlägen rechnen. Nicht verschwiegen soll, dass es auch ein paar positive Aspekte gibt: So soll (eine lange vorgetragene Forderung der Ärzteschaft) die Sozialversicherungsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten im Bereitschaftsdienst der Krankenversicherung geregelt werden. Ebenso soll die sektorenübergreifende Versorgung mit Weiterentwicklung der Hybrid-DRGs gefördert werden. Daran arbeiten derzeit die Partner der Selbstverwaltung. Auch der BDC hat seine Vorstellungen eingebracht, wobei wir darauf drängen, medizinisch kritische Prozeduren wie Cholezytektomie oder Strumachirurgie nicht in verpflichtend ambulante Eingriffe umzuwidmen. Ansonsten bleibt es bei der noch von Minister Lauterbach auf den Weg gebrachten Krankenhausreform, auf die wir ja schon mehrfach eingegangen sind.
Auch wenn die Formulierungen im Koalitionsvertrag noch keine Gesetzestexte darstellen, bleibt festzustellen, dass im Grunde keine wirklich systemverändernden Pläne zu erkennen sind, sondern eher so weitergemacht wird wie bisher. Keine Einschränkungen für die Bevölkerung, Daumenschrauben für die Leistungserbringer, speziell für Kliniken über das schon beschlossene KHVVG mit der Zuteilung von Leistungsgruppen sowie für niedergelassen Fachärzte mit Einführung eines Primärarztsystems und potentiellen Honorarkürzungen.
Um dem Ganzen noch eine versuchsweise versöhnliche Note abzugewinnen: Zumindest müssen wir uns nicht mehr mit den erratischen Ideen eines Prof. Lauterbach herumschlagen. Dessen Gastspiel ist nach drei Jahren beendet. Hoffen wir, dass der neue Minister nicht seinem Namen gerecht wird und uns neue Sorgen beschert.
PS: Sie finden die Passagen des Koalitionsvertrages zur Gesundheitspolitik HIER (ab S. 75).
Rüggeberg JA: Alte Ideen, neu verpackt. Passion Chirurgie. 2025 Mai; 15(05): Artikel 05_03.
Autor des Artikels

Dr. med. Jörg-Andreas Rüggeberg
Vizepräsident des BDCReferat Presse- & Öffentlichkeitsarbeit/Zuständigkeit PASSION CHIRURGIEPraxisverbund Chirurgie/Orthopädie/Unfallchirurgie Dres. Rüggeberg, Grellmann, HenkeZermatter Str. 21/2328325Bremen kontaktierenWeitere aktuelle Artikel
05.07.2019 Aus- & Weiterbildung
Forschungsaktivitäten junger Mediziner als Weiterbildungszeit anerkennen
Für eine wissenschaftlich fundierte Patientenversorgung braucht es wissenschaftlich tätige Medizinerinnen und Mediziner: Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V. setzt sich daher seit vielen Jahren dafür ein, wissenschaftliches Arbeiten von ärztlichem Fachpersonal stärker zu fördern. Initiativen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Clinician Scientists“ mit Forschungs- und Weiterbildungsprogrammen zu unterstützen, sei daher der richtige Weg.
04.07.2019 Datenschutz
DSGVO: Lockerung für Praxen
Erfreulicherweise wurden die Datenschutzbestimmungen für kleine Unternehmen bzw. Praxen gelockert. Die Pflicht eines Datenschutzbeauftragten gilt ab jetzt nur für Praxen ab mindestens 20 Personen.
03.07.2019 Politik
Neuer Geschäftsführer der gematik
Mit dem heutigen Tag tritt Herr Dr. med. Markus Leyck Dieken (54) sein Amt als neuer Alleingeschäftsführer der gematik Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH an.
02.07.2019 Politik
Telematikinfrastruktur: Neubewertung des Sanktionszeitraums
Die Telematikinfrastruktur und die drohenden Sanktionen haben in den vergangenen Monaten die Gemüter erregt. Insbesondere die Befürchtung, dass trotz rechtzeitiger Bestellung der Komponenten aufgrund des Liefer- und Installationsengpasses der Industrie der notwendige Stammdatenabgleich nicht rechtzeitig vorgenommen werden kann und unverschuldet die Sanktionierung droht, hat für Empörung bei den KVN-Mitgliedern gesorgt.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.