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Was zählt wirklich und wie man es richtig macht

Immer näher rückende Altersruhestände, eine steigende Abwanderung ins Ausland, begrenzte Ausbildungskapazitäten und sinkende Wochenarbeitsstunden – um nur einige Punkte zu nennen – setzen Krankenhäuser und Medizinische Versorgungszentren im Personalmanagement zunehmend unter Druck. Doch worauf kommt es wirklich an, um Ärzt:innen erfolgreich zu rekrutieren? Moderne Tools und Technologien allein reichen nicht aus. Entscheidend ist, die Zielgruppe zu verstehen und gezielt auf ihre Bedürfnisse einzugehen.

Im Rahmen einer groß angelegten Studie haben wir das Vorgehen von mehr als 3.900 Ärzt:innen bei der Jobsuche analysiert. Dabei wurden angestellte Ärzt:innen verschiedenster Funktionen und Fachrichtungen befragt. In diesem Beitrag stelle ich einige der wichtigsten Erkenntnisse unserer aktuellen Studie vor und erläutere, was diese für das Recruiting von Ärzt:innen bedeuten.

Wechselbereitschaft und Motivation: Was treibt Ärzt:innen an?

Ein besonders spannendes Ergebnis unserer Studie zeigt, dass 82,2 Prozent der Ärzt:innen grundsätzlich bereit wären, den Job zu wechseln. Interessant dabei: Nur 15,4 Prozent suchen aktiv nach einer neuen Stelle. Das heißt, die meisten Ärzt:innen fühlen sich zwar in ihrem aktuellen Job wohl, sind aber offen für einen Wechsel, sobald ein passendes Angebot auf sie zukommt.

Ein Großteil der Ärzteschaft ist somit „latent suchend”. Man könnte sagen, sie sind nicht aktiv auf der Jagd, aber sie haben Pfeil und Bogen stets griffbereit – für den Fall, dass sich eine lohnende Gelegenheit bietet.

Was bedeutet das für das Recruiting? Diese Erkenntnis zeigt, dass sich Recruiter:innen nicht nur auf die aktiv Suchenden konzentrieren sollten. Erfolgreiches Recruiting bedeutet, die unterschiedlichen Zielgruppen gezielt anzusprechen und Stellenanzeigen dort zu platzieren, wo Ärzt:innen sie sehen – sei es in Fachpublikationen, auf Online-Portalen oder in sozialen Netzwerken. Ziel ist es, auch die latent Suchenden zu erreichen, die nicht aktiv nach neuen Stellen schauen, aber durch ein interessantes Angebot neugierig werden könnten.

Unterschiedliche Mediennutzung je nach Hierarchiestufe

Ein weiteres spannendes Ergebnis unserer Studie betrifft die Mediennutzung. Denn die Nutzung von Medien zur Stellensuche variiert stark je nach beruflicher Position und digitalem Mindset der Zielgruppe.

Warum ist das so? Die nachrückenden Generationen, wie die Generation Y (1981–1997) und Generation Z (ab 1998), sind als „Digital Natives“ mit digitalen Medien aufgewachsen und mit den Vorteilen digitaler Plattformen vertraut, die ihnen eine flexible und intuitive Möglichkeit bieten, sich über offene Stellen zu informieren. Ärzt:innen in höheren beruflichen Positionen, insbesondere auf Oberarzt- und Chefarztebene, zeigen hingegen eine höhere Affinität zu traditionellen Medien, wie beispielsweise Fachzeitschriften.

Was bedeutet das für das Recruiting? Für eine effektive Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen ist ein ausgewogener Medienmix entscheidend. Um Ärzt:innen in Weiterbildung ebenso wie erfahrenere Fachkräfte in leitenden Positionen zu erreichen, sollten Stellenanzeigen sowohl auf digitalen Plattformen als auch in etablierten Fachzeitschriften erscheinen. Auf diese Weise können die spezifischen Medienpräferenzen der jeweiligen Zielgruppen optimal berücksichtigt und die Reichweite maximiert werden. Die Faustregel lautet: Mit steigender Hierarchiestufe steigt die Printaffinität.

Geografische Präferenzen: Regionale Stellenanzeigen als Schlüssel

Unsere Studie zeigt, dass mehr als zwei Drittel der Ärzt:innen (68,5 Prozent) in ihrer Region nach einer neuen Stelle suchen. Vor allem Fach- und Oberärzt:innen haben eine starke Bindung an ihren Wohnort. Ärzt:innen beim Berufseinstieg suchen hingegen überdurchschnittlich häufig eine Stelle für die Facharztweiterbildung in ganz Deutschland.

Warum ist das so? Die Gründe sind oft familiär oder lebensqualitätsbedingt. Viele Ärzt:innen haben ihre Familie, ihren Freundeskreis und ihre sozialen Strukturen in der Region, und ein Umzug kommt für sie nur selten in Frage.

Was bedeutet das für das Recruiting? Für Recruiter:innen bedeutet das: Regionalmarketing wird in Stellenanzeigen zunehmend zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Es reicht längst nicht mehr aus, nur die fachlichen Qualifikationen und die Vorteile der Stelle aufzuzählen. Stattdessen müssen auch die Vorzüge der Region gezielt hervorgehoben werden. Denn insbesondere bei schwierigen Fachbereichen mit einer begrenzten Anzahl potenzieller Kandidat:innen ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass passende Bewerber:innen direkt aus der Region kommen – vor allem, wenn sie nicht aktiv auf Jobsuche sind.

Hier kommt die überregionale Ansprache ins Spiel: Was macht die Region oder Stadt attraktiv? Wie ist die Lebensqualität vor Ort? Gibt es gute Schulen, Kinderbetreuung und Freizeitmöglichkeiten? Wie sieht die Verkehrsanbindung aus? Vielleicht liegt der ICE-Bahnhof nur wenige Minuten vom Arbeitsplatz entfernt – ein Aspekt, der gerade für Pendler:innen interessant sein könnte. Für Ärzt:innen, die ihre aktuelle Wohnsituation nicht verändern möchten, kann eine optimale Anbindung an den Fernverkehr den Job attraktiv machen. Wenn dazu noch ein Benefit wie eine BahnCard angeboten wird, könnte dies den Ausschlag geben, den neuen Arbeitsplatz anzunehmen – ohne den Wohnort wechseln zu müssen.

Recruiter:innen müssen also überregional denken und gezielt Lokalmarketing betreiben, um Fachkräfte von außerhalb für die Region zu begeistern. Der Standort wird so zum zentralen Argument in der Stellenanzeige – und kann die entscheidende Hürde zwischen Interesse und tatsächlicher Bewerbung überwinden.

Das Arbeitsklima: Ein unterschätzter Faktor

98,6 Prozent der Ärzt:innen gaben an, dass das Arbeitsklima für sie von größter Bedeutung ist. Doch nur wenige Stellenanzeigen heben diesen Aspekt ausreichend hervor.

Warum ist das so? Ärzt:innen suchen nicht nur nach einem gut bezahlten Job, sondern auch nach einem Arbeitsplatz, an dem sie sich wohlfühlen und sich weiterentwickeln können. Ein gutes Arbeitsklima kann entscheidend dafür sein, ob sich Ärzt:innen langfristig binden.

Was bedeutet das für das Recruiting? Arbeitgeber sollten in Stellenanzeigen nicht nur Angaben zu Gehalt und Arbeitszeiten machen, sondern das Arbeitsklima und die Teamarbeit stärker in den Vordergrund rücken. Authentische Einblicke in den Arbeitsalltag, Mitarbeitendenstimmen und die Unternehmenskultur können dabei helfen, das Arbeitsklima bereits in der Stellenanzeige zu vermitteln.

Stressfaktor Bewerbung: Weniger Hürden, mehr Bewerbungen

Einer der häufigsten Kritikpunkte in unserer Studie war die Komplexität des Bewerbungsprozesses. 44,3 Prozent der Ärzt:innen gaben an, dass sie nur wenig Zeit für Bewerbungen haben und sich einfachere Prozesse wünschen.

Warum ist das so? Der Arbeitsalltag von Ärzt:innen ist stark ausgelastet, und ein komplizierter Bewerbungsprozess kann abschreckend wirken. Viele wünschen sich, dass auf langwierige Anschreiben und komplizierte Bewerbungsschritte verzichtet wird.

Was bedeutet das für das Recruiting? Um die Hürden zu senken und mehr Ärzt:innen zu motivieren, sich zu bewerben, sollten Arbeitgeber den Bewerbungsprozess so einfach wie möglich gestalten. Zum Beispiel auf das klassische Anschreiben verzichten und den Fokus auf schnelle, effiziente Bewerbungsschritte legen. Allein der Verzicht auf ein Anschreiben hätte einen erheblichen Effekt: Die Studie ergab, dass sich mehr als die Hälfte der Befragten eher auf eine Stelle bewerben würde, wenn kein Anschreiben erforderlich wäre.

Unterschiedliche Prioritäten je nach Lebensphase

Generell zeigt sich, dass die Prioritäten bei der Jobsuche von Ärzt:innen stark von ihrer Position und Lebensphase abhängen. So spielt das Gehalt für Oberärzt:innen und Chefärzt:innen eine sehr wichtige Rolle und steht in der Umfrage an zweiter Stelle, während es für den ärztlichen Nachwuchs zwar auch wichtig ist, aber erst nach den Weiterbildungsmöglichkeiten kommt. Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit ist für Frauen (70 Prozent) häufiger „sehr wichtig“ als für Männer (52 Prozent), genauso wie dieser Faktor für Ärzt:innen in Weiterbildung wichtiger ist als für Chefärzt:innen.

Warum ist das so? Jede der angesprochenen Zielgruppen befindet sich in unterschiedlichen Lebensphasen, in denen Gehalt, Work-Life-Balance oder Vereinbarkeit unterschiedlich wichtig sind.

Was bedeutet das für das Recruiting? Recruiter:innen sollten sich bewusst darüber sein, welche Zielgruppe sie mit einer Stellenanzeige genau ansprechen und diese dann daraufhin optimieren.

Was alle Stellenanzeigen gemeinsam haben sollten, ist Transparenz. Bewerbende schätzen möglichst klare Formulierungen und keine Floskeln in der Stellenanzeige. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass Stellenanzeigen, die explizit das Gehalt oder eine Gehaltsspanne nennen, deutlich schneller zum Rekrutierungserfolg führen. Die Klinik lebt eine familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik? Das sollte in der Stellenanzeige hervorgehoben werden. Teilzeitmodelle, Jobsharing, langfristig geplante Dienstpläne, Unterstützung pflegender Angehöriger, Vermittlung von Kinderbetreuungslösungen – all das sind überzeugende Argumente, sich für einen Arbeitgeber bzw. eine Klinik zu entscheiden.

Transparenz bezieht sich aber nicht nur auf die „Benefits”. Wochenend- und Nachtdienste? Kein Problem – auch hier lohnt sich Transparenz und eine offene Kommunikation über die Arbeitszeiten und die Anzahl der Wochenend- und Bereitschaftsdienste. So bewerben sich nur Ärzt:innen, die sich mit den jeweiligen Arbeitszeiten arrangieren können. Dies spart sowohl den Arbeitgebern als auch den interessierten Fachkräften viel Zeit.

Beschäftigen Sie sich mit Ihrer Zielgruppe!

Bevor Sie sich für einen Recruiting-Kanal entscheiden und die Stellenanzeige verfassen, sollten Sie sich folgende Frage stellen: Wer ist meine Zielgruppe?

Was bedeutet das für das Recruiting? Für Personalverantwortliche ist es unerlässlich, den eigenen Markt inklusive aller Daten und Fakten gründlich zu kennen, insbesondere in Bezug auf die Anzahl und Verteilung der Fachärzte in verschiedenen Bereichen. Und je nach Fachrichtung gibt es große Unterschiede, was die passgenaue Ansprache betrifft.

Ein Beispiel: Sie suchen einen Facharzt/-ärztin für Viszeralchirurgie. Hiervon gibt es in Deutschland bundesweit ca. 5.400 berufstätige Ärzt:innen. Mehr als jeder zweite berufstätige Arzt/Ärztin ist älter als 50 Jahre und 70 Prozent sind männlich.

Für dieselbe Klinik suchen Sie auch einen Facharzt/-ärztin im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin. Hier sieht es hingegen ganz anders aus: knapp 17.000 berufstätige Ärzt:innen gibt es bundesweit, 64 Prozent sind weiblich und knapp die Hälfte ist jünger als 50 Jahre.

Für das erfolgreiche Recruiting braucht es entsprechend eine differenzierte Betrachtung und das Eintauchen in die jeweilige Fachrichtung. Es ist unerlässlich, die spezifischen Merkmale, Interessen und Bedürfnisse der Zielgruppen zu verstehen.

Fazit

Unsere Studie zeigt, dass Ärzt:innen je nach Alter, Hierarchie und Lebensphase unterschiedliche Prioritäten haben – von der regionalen Bindung bis hin zur Work-Life-Balance. Während Ärzt:innen in Weiterbildung vor allem online nach Stellen suchen, bevorzugen Ärzt:innen in Leitungsfunktionen gedruckte Fachzeitschriften. Auch Aspekte wie das Arbeitsklima und einfache Bewerbungsprozesse spielen eine wichtige Rolle.

Die aktuellen Herausforderungen im Ärzt:innen-Recruiting erfordern ein tiefes Verständnis der Zielgruppe und ihrer Bedürfnisse. Wer als Arbeitgeber erfolgreich Ärzt:innen rekrutieren will, muss auf diese Bedürfnisse eingehen.

Zur Person

Konstantin Degner ist Recruiting-Experte bei „ÄRZTESTELLEN“, dem Stellenmarkt des Deutschen Ärzteblatts. Er engagiert sich für eine bessere Patient:innen-Versorgung und gegen den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen.

Konstantin Degner

Senior Expert Business Development & Market

Recruiting Solutions @ ÄRZTESTELLEN

Deutscher Ärzteverlag GmbH

degner@aerzteverlag.de

Gesundheitspolitik

Degner K: BDC-Praxistest: Erfolgreiches
Ärzt:innen-Recruiting. Passion Chirurgie.
2025 März; 15(03/QI): Artikel 05_01.

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Rubrik Wissen | Aus-, Weiter- & Fortbildung.

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