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Normen im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen und insbesondere für ärztliche Tätigkeiten sind kein geeignetes Instrument, um die Qualität der Leistungserbringung zu sichern oder zu verbessern. Sie dürfen daher keinen Niederschlag in der Patientenversorgung finden. Das fordert die Bundesärztekammer (BÄK) in ihrer Stellungnahme “Normungsvorhaben von Gesundheitsdienstleistungen aus ärztlicher Sicht”.

Vor dem Hintergrund der Normungsbestrebungen auf europäischer Ebene hat sich der Wissenschaftliche Beirat der BÄK mit den Kriterien für eine individuelle, dem Stand der Wissenschaft entsprechende medizinische Versorgung auseinandergesetzt und die unterschiedlichen konzeptionellen Charakteristika bei der Erstellung von Normen auf der einen Seite und von Leitlinien auf der anderen Seite in den Blick genommen.

Eine Normung von Gesundheitsdienstleistungen in der unmittelbaren Krankenversorgung würde bedeuten, dass die Individualität von Arzt und Patient graduell oder vollständig durch eine abstrakte Expertise ersetzt wird, heißt es in der Stellungnahme.

Das sieht die BÄK mit Blick auf das individuelle Arzt-Patient-Verhältnis sowie die Therapiefreiheit des Arztes auf der Basis einer evidenzbasierten Medizin kritisch. Abstrakten, allgemeingültigen Normen soll im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen Leitliniencharakter verliehen werden. Für eine solche methodische Verquickung gebe es keinerlei Evidenzbasierung, warnt die BÄK.

Vielmehr würde Normung in dem sensiblen Bereich der Patientenversorgung zu Rechtsunsicherheit und erheblichen Friktionen mit nationalem Berufs- und Haftungsrecht führen. Auf europäischer Ebene verstoße Normung von Gesundheitsdienstleistungen gegen den Grundsatz der Wahrung der Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung, heißt es in der Stellungnahme weiter.

Normung in der Medizin kann aus Sicht der BÄK allerdings sinnvoll sein, wenn es sich um medizinisch-technische Leistungen wie z. B. die Labormedizin oder Verfahren zur Herstellung von Medizinprodukten, zur Sterilisation und um Anforderungen an medizintechnische Geräte handelt. Auch für aussagekräftige epidemiologische Analysen von Daten, die im Rahmen der Routinediagnostik gewonnen werden, ist die Normung Voraussetzung, heißt es in der Stellungnahme. Wenn es aber um Informationen oder Vorgaben geht, die individuell zu interpretieren und zu bewerten sind, ist Normung hingegen kein geeignetes Regelungsinstrument, so die BÄK.

Neben den nationalen Leitlinienprozessen gebe es bereits erfolgversprechende Ansätze zur supranationalen Leitlinienerstellung. Diese Bestrebungen sollten weiter ausgebaut und von der Politik unterstützt werden, fordert die BÄK.

Stellungnahme der Bundesärztekammer "Normungsvorhaben von Gesundheitsdienstleistungen aus ärztlicher Sicht"

Quelle: Bundesärztekammer, Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern, Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin, http://www.bundesaerztekammer.de

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