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Ich habe nichts verstanden“. „Wie geht es mit mir weiter?“ „Kann ich noch ein normales Leben führen?“ Das sind typische Fragen von Betroffenen nicht nur nach der Diagnosestellung, sondern auch nach einem Aufklärungsgespräch beim Arzt, mit dem doch alles über die Diagnose und Behandlung besprochen wurde.

Offenbar kommen häufig wichtige Informationen bei den Betroffen nicht an. Was läuft da nicht richtig? Hören die Betroffenen nicht richtig zu? Waren sie zu sehr im Stress, so dass der Kopf für solche Neuigkeiten und Informationen nicht aufnahmefähig war? Ist das Umfeld nicht optimal für ein Gespräch gewesen? Hat man sich nicht genug Zeit genommen? War die Sprache nicht für einen medizinischen Laien geeignet? Fehlte die Kompetenz der Ärztin oder des Arztes?

Wir erwarten als Patient:in zurecht, dass wir aus dem Gespräch herauskommen und verstanden haben, welches Leid wir haben und welche weiteren Schritte uns bevorstehen. Wenn es also so häufig vorkommt, dass wir nach dem Gespräch genauso schlau sind, wie vor dem Gespräch, ist etwas nicht richtig gelaufen. Es ist und bleibt die Aufgabe der Ärzt:innen, eben dafür zu sorgen, dass sich die Patient:innen gut aufgeklärt fühlen. Dabei kommt es nicht darauf an, ein Gespräch zu führen, um die Pflicht des Gesprächs erfüllt zu haben. Wie können wir als Ärzt:innen also das gewünschte Ergebnis erzielen? Das Problem des Nichtverstehens ist, wie wir nun festgestellt haben, sehr komplex. Ich möchte hier erläutern, auf was man als Ärztin oder Arzt, die das Gespräch führen, achten muss und wie sich der gewünschte Erfolg einstellt.

Ärzt:innen haben die schwere Aufgabe, eine komplexe Situation verständlich zu vermitteln, wobei sich die Patient:innen durch die Nachricht einer lebensverändernden Diagnose oft in einer Ausnahmesituation befinden und vielleicht gar nicht in der Lage sind, sich auf die Inhalte des Gesprächs zu konzentrieren.

Beginnen wir zunächst damit, dass nicht jeder Mensch gleich ist. Beispielsweise können wir mit dem Riemann-Thomann-Modell vier Typen von Menschen beschreiben, die zum Teil gänzlich gegensätzlich sind [1].

Persönlichkeitstypen, je nach Grundbedürfnis

Ein Typ ist der Nähetyp. Diese Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie gerne mit den anderen im Wartezimmer kommunizieren, sich für das Zuspätkommen entschuldigen und die Tränen nicht verstecken. Sie wollen niemandem zur Last fallen. Kurz die Hand oder den Arm berühren empfinden sie als Wärme und Zugewandtheit.

Hingegen liest der Distanztyp im Wartezimmer in der Zeitung, damit er nicht mit den anderen reden muss. Er ist aus dem Internet bereits gut über alles informiert und sucht bei der Ärztin oder dem Arzt nur Bestätigung dessen, was er schon weiß. Er zeigt keine Gefühle und möchte nicht berührt werden.

Der sog. Dauertyp will immer alles genau wissen, ein fester Therapieplan wird strikt eingehalten und dokumentiert, Tabletten werden pünktlich eingenommen. Veränderung wird als unangenehm angesehen.

Als letztes mag der Wechseltyp hingegen strikte Verhaltensregeln nicht. Er ist offen für Veränderungen des Therapieplans oder für eine Studienteilnahme. Die Tabletteneinnahme wird immer wieder vergessen und Pünktlichkeit lässt zu wünschen übrig. Bei Kritik der Unzuverlässigkeit wird er eher die Ärzt:innen wechseln als sein Verhalten.

Wie wir sehen, sind Menschen nach diesem groben Raster sehr unterschiedlich, sodass aus Sicht der Ärztin oder des Arztes diese Eingruppierung schon nach wenigen Minuten verstanden werden muss. Ansonsten werden Fehler in der Kommunikation auftreten, was zu Unzufriedenheit und Missverständnis auf Seiten der Patient:innen führt. Natürlich verschwimmen diese Grenzen der Persönlichkeiten untereinander, was man ebenfalls berücksichtigen muss.

Phasen der Verarbeitung einer schlechten Diagnose, z. B. Krebs

Nach der Überbringung einer schlechten Nachricht, z. B. die Diagnose Krebs, wird ein Prozess der Verarbeitung in Gang gesetzt, der in fünf Phasen abläuft.

So ist die erste Phase durch Ungläubigkeit geprägt. „Sicher wurden meine Befunde verwechselt.“ Danach kommt es zu einer Phase des Ärgerns und der Wut, was teilweise mit einem aggressiven Verhalten einhergeht. „Warum ausgerechnet ich?“ „Wer ist schuld?“ Familie und Freunde, aber auch Pflegepersonal und Ärzt:innen müssen oft als Blitzableiter dienen. In der dritten Phase ist man bereit zu verhandeln. „OK, wenn ich Sport mache und gesund esse, werde ich wieder gesund.“ Die vierte Phase ist durch Trauer und Depression gekennzeichnet. Es wird realisiert, dass es eine schwere Krankheit ist. Angst kommt auf, der Mut schwindet. Schließlich hat man in der fünften Phase verarbeitet, was einem geschehen ist und kann wieder klare Gedanken fassen. Jetzt werden Pläne geschmiedet.

Diese Phasen treten nicht nach einem festen Zeitschema auf. Sie sind sehr unterschiedlich stark ausgeprägt, können alleine oder gemischt auftreten, tauchen immer wieder auf und halten unterschiedlich lange an.

Je nachdem, in welcher Phase sich eine Patientin oder ein Patient befindet, bekommt man auf unterschiedliche Weise einen Zugang. So wird das Gespräch z. B. in der Verärgerungsphase anders verlaufen als in der Depressionsphase.

Vertrauensaufbau und Führung der Patient:innen

Ebenso entscheidend für das erfolgreiche Gespräch ist der aktuelle körperliche Zustand der Betroffenen. In welcher Phase der Erkrankung und der Behandlung befindet sich die Patientin oder der Patient? Handelt es sich beim Gespräch um das Überbringen einer schlechten Diagnose? Ist das Leiden heilbar oder nicht? Werde ich Dauerschäden davontragen? Geht es um die Planung der weiteren Schritte? Ist die Behandlung bereits erfolgt, sodass „nur“ noch die Nachbetreuung und Begleitung notwendig ist? Oder ist die Erkrankung nicht wirklich lebensverändernd wie beispielsweise eine Blinddarmentzündung oder Gallensteine?

Gespräche zwischen Ärzt:innen und Patient:innen sind viel mehr als nur die Vermittlung von Informationen. Natürlich ist das Ziel, eine bestimmte Diagnose zu übermitteln, die erforderlichen Untersuchungen aufzulisten und über eine bevorstehende Operation oder eine Chemotherapie zu reden. Das Ziel dabei ist es aber nicht, diese Informationen aus Sicht der Ärzt:innen herunterzuleiern, damit das Gespräch erledigt oder abgehakt ist. Das Entscheidende ist das, was bei den Patient:innen und Angehörigen ankommt. Dazu braucht es viel mehr. Auch gelingt es nicht alles abschließend in einem einzigen Gespräch zu besprechen. Weitere Termine sind hier immer erforderlich.

Dennoch ist das Erstgespräch von besonderer Bedeutung. Nach einem oder mehreren guten Gesprächen wissen die Patient:innen und die Angehörigen, welche Erkrankung vorliegt, was auf sie zukommt, wer sie behandelt, wie lange es ungefähr dauert und wie der Endzustand voraussichtlich sein wird. Dabei sollte ein Großteil der Angst beseitigt und Vertrauen aufgebaut worden sein. Die Bereitschaft für weitere Gespräche sollte immer vorhanden sein. So kann eine grundsätzliche Planung des Weges durch die Erkrankung erfolgen, der von den Ärzt:innen begleitet wird.

Neben der verbalen ist die non verbale Kommunikation von gleichwertiger Bedeutung. Daher sollte das Gespräch in einem geschlossenen Raum stattfinden, in dem keine weiteren Menschen ein- und ausgehen, die Atmosphäre sollte Ruhe ausstrahlen. Die Ärztin/Arzt muss ebenfalls Ruhe ausstrahlen. Das Telefon bleibt aus. Blicke auf die Uhr müssen vermieden werden. Wenn möglich, sollten Angehörige am Gespräch teilnehmen. Die Betroffenen sollten das Gefühl haben, dass sich die Ärztin/der Arzt ausreichend Zeit nimmt. Um die Persönlichkeiten, die psychische Lage und die Aufnahmefähigkeit der Patient:innen gut beurteilen zu können, sollten die Ärzt:innen den Schilderungen der Patient:innen zunächst in Ruhe zuhören. Auch das intellektuelle Niveau, an das sich dann das Gespräch anpassen muss, wird auf diese Weise schnell verstanden. Erst dann werden Ärztin oder Arzt die Gesprächsführung übernehmen. Wichtig dabei ist, eine einfache Sprache zu verwenden, eher langsam zu sprechen, Sprechpausen einzulegen und immer wieder Teile des Gesprächs zusammenzufassen. Dasselbe gilt auch für hoch gebildete Akademiker:innen, die nicht aus dem medizinischen Bereich kommen.

Natürlich gehört zum Gespräch auch, die fachliche Kompetenz auszustrahlen. Woher weiß eine Patientin/Patient, ob die Chirurg:in, die vor ihm sitzt, nicht nur schönreden, sondern auch gut operieren kann? Ich persönlich erläutere gerne die Anatomie und die geplante Operation anhand von Bildern, die ich im Computer oder auf Tafeln in einem Ordner für jede Operation griffbereit habe. Wenn es sich nicht um eine Standardoperation handelt, zeichne ich gerne auf einem Blatt Papier. Es empfiehlt sich, dies auch auf dem Aufklärungsbogen vor einer Operation zu tun, da die Patient:innen davon eine Kopie erhalten und zu Hause erneut darüber reflektieren können. Diese visuelle Darstellung wird in der Regel viel besser verstanden als eine rein verbale Erläuterung.

Im Verlauf der Erkrankungen werden meist mehrere fundamentale Schritte durchlaufen wie Diagnostik, Operation, Chemotherapie, Nachsorge etc. Dieses gesamte Paket wird einmal in kurzen Worten komplett mit ungefähren Zeitangaben besprochen. Die Betroffenen müssen dabei über mögliche Zwischenfälle wie Komplikationen ehrlich aufgeklärt werden. Am Ende des Gesprächs vereinbare ich den nächsten Termin, sodass ich mich gemeinsam mit den Patient:innen nur auf den jeweils nächsten Schritt konzentriere.

Nach diesen umfassenden Erläuterungen und dem Zuhören gelingt es in aller Regel so viel Vertrauen aufzubauen, dass jede Art der Therapie angegangen werden kann. Gerade bei der zunehmenden Spezialisierung werden Patient:innen immer mehr von verschiedenen Ärzt:innen behandelt. Oftmals werden Ärztin oder Arzt von den Patient:innen nach dem guten ersten Gespräch auch langfristig als Vertrauensperson bestimmt, auch wenn sie/er nicht mehr an der Behandlung teilnimmt. Natürlich bin ich weiterhin ansprechbar, was auch häufig gerne beansprucht wird. Wenn das Vertrauen da ist und über alles gesprochen wurde, werden im Verlauf auch die Zwischenfälle wie eine Komplikation oder Nebenwirkungen verstanden und akzeptiert.

Fazit

Die richtige Kommunikation zwischen Ärztin/Arzt und Patient:in ist eine äußerst schwierige Aufgabe, die nicht mit einfachen Regeln zu bewältigen ist. Sowohl vonseiten der Ärzt:innen, als auch vonseiten der Patient:innen sind eine Vielzahl von Faktoren, die sich auch immer wieder verändern können, von entscheidender Bedeutung. Das Wichtigste ist, Vertrauen aufzubauen, was meist durch überzeugende Kompetenz, aber auch durch die Fähigkeit, Dinge so darzustellen, dass sie verstanden werden, erreicht wird. Meist sind mehrere Gespräche erforderlich. Wenn das alles gelingt, sind die Patient:innen in aller Regel gut führbar und sehr zufrieden.

Literatur

[1] Aus Heiland, Regine. Weil Worte wirken: Wie Arzt-Patienten-Kommunikation gelingt. Theorie – Praxis – Übungen (German Edition). Kohlhammer Verlag.

Schumacher G: Arzt-Patienten-Kommunikation – Verstehen mich mein Patienten? Passion Chirurgie. 2024 September; 14(09/III): Artikel 09_01.

Autor des Artikels

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Prof. Dr. med. Dr. h.c. Guido Schumacher

Chirurgische Klinik Brixen / SterzingDantestraße 5139042Brixen (BZ) kontaktieren

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