01.08.2018 Mund-, Kiefer- & Gesichtschirurgie
Bericht vom Kongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie

Translationale Medizin: Additive Fertigung in Wissenschaft und Klinik
Auf dem diesjährigen Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) wurde erstmalig in einer überwältigenden Anzahl von wissenschaftlichen Vorträgen auf höchstem Niveau der aktuelle Stand der translationalen Medizin mit den beiden Hauptthemen „Regeneration und Tissue Engineering“ sowie „Onkologie“ vorgestellt. Dem Hauptkongress vorangestellt war der immer beliebter werdende „Assistententag“ mit Workshops für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Zum Ausklang des Kongresses wurde den Bedürfnissen der niedergelassenen Kollegen mit dem Praxisführungsseminar Rechnung getragen. Die Vielzahl freier Vorträge zum gesamten Spektrum der Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie rundete den gut besuchten Kongress ab.
3-D-Bioprinting – Individuell geformte Knochen, Blutgefäße und komplexes Gewebe aus dem Drucker
Vom Gewebeersatz mit Tissue Engineering-Knochen zum 3-D-Bioprinting von komplexen Geweben mit individueller Form für den patientenspezifischen Kieferaufbau: Die meist komplizierten dreidimensionalen Gebilde zur Deckung von Knochendefekten oder -defiziten im MKG-Bereich sind CAD/CAM gefertigt. Das neue Verfahren des 3-D-Bioprintings oder besser der „Additiven Fertigung“ vereint jetzt die computergesteuerte Fertigung mit der Methode des Tissue Engineerings. Dies ermöglicht erstmals die Produktion von individuell an den jeweiligen Defekt angepassten Strukturen, die ein lebendes Gewebe darstellen.
Im Kiefer-Gesichtsbereich sind Knochendefekte oder Knochendefizite meist komplexe dreidimensionale Gebilde. Zur Deckung bzw. Überbrückung solcher Defekte hat besonders in der kraniofazialen Chirurgie die Anfertigung von individuellen Implantaten (Scaffolds) zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Anfertigung erfolgt CAD/CAM-gestützt. Neben Titan kommen auch Keramiken und Kunststoffe zur Anwendung. Bei den genannten Materialien ist jeweils ein Sinterschritt bei erhöhter Temperatur zur Stabilisierung notwendig, der zu einer hohen Resorptionsbeständigkeit führt, aber einer unmittelbaren Besiedelung mit lebenden Zellen während der Herstellung entgegensteht. Biomaterialien, die bei Raumtemperatur abbinden und aus denen Gerüststrukturen hergestellt werden können, ermöglichen dagegen die Einbeziehung lebender Zellen in den Druckvorgang. Ein geeignetes, klinisch etabliertes Knochenersatzmaterial ist z. B. synthetischer, nanokristalliner Hydroxylapatit in Form von Granulaten oder pastösen Kalziumphosphat-Knochenzementen. Trägermaterialien für Zellen sind z. B. Gele auf Agar-, Alginat- oder Fibrinbasis. Dieses Bioprinting vereint die computergesteuerte „Additive Fertigung“, die eine exakte Vorgabe der Porenstruktur sowie, für die spätere klinische Anwendung entscheidend, eine individuelle Formgebung erlaubt, mit der Methode des Tissue Engineerings.

Abb. 1: Ein aus bioresorbierbarem Kalziumphosphatzement gedruckter Scaffold für die Heilung einer artifiziell zugefügten persistierenden Gaumenspalte einer Ratte. Die gedruckten Stränge härten nach dem Drucken zu biomimetischem, knochenähnlichem Hydroxylapatit aus, der durch körpereigene Zellen abgebaut werden kann (Quelle: Zentrum für Translationale Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und Medizinische Fakultät der Technischen Universität Dresden)
Auch wurde ein Verfahren des 3-D-Plottens etabliert, mit dem sich direkt hohle Stränge erzeugen lassen. Solche könnten als Leitschienen für das Einwachsen von Gefäßen fungieren und damit die Blutversorgung der künstlichen Gewebe sicherstellen. Das additive Verfahren des Bioprintings ermöglicht somit eine Fertigung von individuell an den jeweiligen Defekt angepassten Strukturen, die ein lebendes Gewebe darstellen.
Tissue Engineering
Vor dem klinischen Hintergrund des Behandlungskonzeptes für Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten ist eine direkte klinische Anwendung für den Patienten sehr vorteilhaft: Im Rahmen des Lippenspaltverschlusses kann bereits Knochengewebe entnommen werden. Die enthaltenen Zellen können selektiert, getrennt kultiviert und im Sinne einer individuellen „Zellbank“ kryokonserviert werden. Zum Zeitpunkt der Kieferspaltosteoplastik kann dann mittels Bioprinting aus Knochenzement, Hydrogel und kryokonservierten Knochen- und Gefäßzellen ein „lebendes Knochentransplantat“ gedruckt werden. Dieses können die MKG-Chirurgen dann zukünftig zur Kieferspaltosteoplastik anstelle des heute noch üblichen Transplantates aus dem Becken einsetzen. Das Bioprinting wird an der Klinik für MKG-Chirurgie gemeinsam mit dem Zentrum für Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung des Universitätsklinikums Dresden intensiv weiter erforscht.

Abb. 2: In der Klinik etablierte, bildgebende Verfahren wie die Computertomographie können genutzt werden, um patientenindividuelle und damit passgenaue Implantate zu drucken. Das dargestellte Kahnbein wurde aus einem CT-Datensatz einer Hand gefiltert und mit Hilfe eines Kalziumphosphatzementes gedruckt. (Quelle: Zentrum für Translationale Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und Medizinische Fakultät der Technischen Universität Dresden)
Autor des Artikels

Dr. med. (H) Dr. med. dent. Monika Krönes
Fachärztin für Mund-Kiefer-GesichtschirurgieMaster of Laws LL.M. MedizinrechtMariahilfbergweg 792224AmbergWeitere aktuelle Artikel
12.08.2025 BDC|News
PASSION CHIRURGIE 07/08-2025: Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Die Sonne lacht endlich wieder vom Himmel – und passend zur Jahreszeit präsentieren wir Ihnen die Sommer-Ausgabe von PASSION CHIRURGIE. Im Fokus steht dieses Mal die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – ein Fachgebiet, das durch seine Vielseitigkeit und Komplexität fasziniert. Freuen Sie sich auf spannende Einblicke in innovative Technologien, bewährte Behandlungsmethoden und den Blick auf internationale humanitäre Hilfe in Kabul.
01.08.2025 BDC|News
Editorial 07/08-2025: Fortschritte und Herausforderungen in der MKG-Chirurgie
Die aktuelle Ausgabe der Passion Chirurgie beleuchtet eindrucksvoll die Vielfalt und Komplexität der modernen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Die folgenden Artikel bieten spannende Einblicke in innovative Technologien, bewährte Behandlungsmethoden und internationale humanitäre Einsätze, die das Fachgebiet prägen.
27.07.2025 Mund-, Kiefer- & Gesichtschirurgie
Evolution und Etablierung der robotischen Supermikrochirurgie in der rekonstruktiven Chirurgie der Kopf-Hals-Region
Der chirurgische Goldstandard zur Rekonstruktion von großen Gesichtsdefekten – wie nach einer ablativen Tumorchirurgie oder Traumata – ist die Verwendung von freien mikrovaskulären Transplantaten. Obwohl ein erheblicher Verlust an Weichgewebe und Knochen auftritt, können die meisten Patienten wieder zufriedenstellende anatomische und physiologische Funktionen erreichen [1].
27.07.2025 Mund-, Kiefer- & Gesichtschirurgie
Fester Zahnersatz ohne Knochenaufbau bei ausgeprägter Kieferknochenatrophie mittels patientenspezifischer Implantate in der ambulanten MKG-Chirurgie
Die zahnärztliche Implantologie zählt zu den wichtigsten Errungenschaften der modernen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Ihr Erfolg basiert auf der festen Verankerung von Zahnersatz mit physiologischer Kaukraftübertragung auf den Knochen. Hierfür ist jedoch ein intaktes biologisches Umfeld erforderlich – insbesondere ausreichend dimensionierter, gut durchbluteter Knochen sowie eine adäquat geformte Weichgewebsarchitektur.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.