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Ende des beliebten Modells oder bessere rechtliche Position?

In zunehmendem Maße übernehmen externe Ärzte Aufgaben in Krankenhäusern, meist in der Konstruktion des Honorararztes, der für eine konkrete Leistung, im Falle der Chirurgie meist definierte Operationen, vom Krankenhaus unmittelbar aus dem DRG-Erlös bezahlt wird. Das ist sowohl für die Häuser von Vorteil, die in der Regel lukrative Fälle zugewiesen bekommen und auch das Problem der Mindestmengen auf diese Weise lösen können, wie auch für die Operateure, die eine deutlich höhere Vergütung als im EBM-System erhalten.

Angesichts einer solchen Win-win-Situation bleibt es nicht aus, dass Schwierigkeiten auftreten. So ist beispielsweise eine Operation bei Privatpatienten durch Honorarärzte nicht möglich, weil dies zwingend durch Krankenhausangestellte zu erfolgen hat. Der BDC hat daher schon lange dazu geraten, dass Honorarärzte sich in welchem Umfang auch immer, am Krankenhaus in Teilzeit anstellen lassen. Das zweite Problem kam im Zuge des Antikorruptionsgesetzes hinzu, das eine unangemessene (zu hohe) Vergütung des Honorararztes unter Strafandrohung stellt. Wie hoch die Angemessenheit der Vergütung ausfallen darf, ist nach wie vor ungeklärt. Der BDC rät derzeit, sich an den in den DRG ausgewiesenen Vergütungsanteilen für die jeweiligen Leistungen zu orientieren.

Soweit die bisherige Ausgangslage, die trotz gewisser Unsicherheiten das Honorararztsystem zu einer relevanten zusätzlichen Versorgungsform hat aufblühen lassen, die auch den Charme einer tatsächlich gelebten sektorenüberwindenden Versorgung besitzt. Jetzt aber droht diesem Modell das Aus, nachdem das Bundessozialgericht entschieden hat, dass Honorarärzte im Prinzip keine Selbständigen sind und insofern der Sozialversicherungspflicht wie alle anderen Angestellten auch unterliegen.

Aktuelle BSG-Urteile zu Honorararzt und Scheinselbstständigkeit – eine erste Einschätzung

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hatte am 03.06.19 und 07.06.19 über insgesamt siebzehn Verfahren zu entscheiden, in denen es im Rahmen von Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV und Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV über die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung und in der Folge Versicherungspflicht bei verschiedenen Gesundheitsberufen ging. Das Thema Honorararzt wurde hierbei am 03.06.19 verhandelt und durchweg entschieden, dass die Honorarärzte derart in die Arbeitsorganisation des Krankenhauses eingegliedert und weisungsgebunden sind, dass diese Tätigkeit als sozialversicherungspflichtige, abhängige Beschäftigung einzuordnen ist.

 

Aus den bisher vorliegenden Terminberichten lässt sich entnehmen, dass es sich hierbei primär um solche Ärzte handelte, die über Agenturen oder eigenständig an verschieden Krankenhäusern tätig waren, ohne dass aber eine gleichzeitige Niederlassung in eigener Praxis im Vordergrund stand. Häufig betrafen die Entscheidungen Fachärzte für Anästhesie.

Dementsprechend lässt sich den knappen Urteilsbegründungen aus den Terminberichten entnehmen, dass die gleichzeitige Tätigkeit in freier Praxis für die Entscheidungen keine wesentliche Rolle spielte. So heißt es in Bezug auf einen Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, der in der kardiologischen Abteilung eines Städtischen Klinikums auf Grundlage eines „Honorararztvertrages“ tätig war:

 

„Die Revision des klagenden Arztes hat keinen Erfolg gehabt. Er war nicht frei in der Wahl der Patienten und hatte fachliche und organisatorische Vorgaben des Krankenhauses zu berücksichtigen. An den Einsatztagen hatte er so lange zu arbeiten, bis sämtliche ihm zugeteilten Patienten behandelt oder betreut waren. Das Letztentscheidungsrecht in medizinischen Fragen lag beim Chefarzt, so dass er selbst auch Weisungen unterworfen war.“ (Az. B 12 R 20/18 R).

 

Diese Beurteilung kann bei mit einem Krankenhaus kooperierenden niedergelassenen Vertragsärzten oder bei Gemeinschaftspraxen, die teils eigene Ressourcen benutzen, teils eigene Patienten einweisen und keiner chefärztlichen Weisungsbefugnis unterworfen sind, sicherlich ganz anders ausfallen. Insofern haben die jetzigen Entscheidungen für eine Vielzahl von Honorarärzten offensichtlich keine Klarheit geschaffen.

 

Dennoch sind die Urteile ein deutlicher Hinweis darauf, dass unsere Empfehlung der Umstellung vorhandener Honorararztverträge in (Teilzeit-)Anstellungsverhältnisse wegen der Wahlleistungsthematik und im Hinblick auf größtmögliche Transparenz zur Vermeidung korruptionsrechtlicher Vorwürfe auch wegen der Gefahr der Scheinselbstständigkeit Gültigkeit hat und von den Betroffenen zeitnah umgesetzt werden sollte.

 

Eine weitergehende und detailliertere Bewertung der aktuellen BSG-Entscheidung werden wir nach dem Vorliegen der vollständigen Urteilsgründe vornehmen können.

 

Dr. jur. Jörg Heberer
Oliver Butzmann

Wie immer, bezieht sich das Urteil des BSG auf konkrete Einzelfälle, die, liest man die Texte genauer, tatsächlich ziemlich eindeutig eine abhängige Beschäftigung der betroffenen Ärzte nachweist. Das trifft für den klassischen chirurgischen Operateur so nicht immer zu, wenngleich es sich kaum abstreiten lässt, dass auch der Honorararzt sich an die Ablaufstrukturen des Krankenhauses anpassen muss und insofern in seinem Handeln nicht völlig frei ist. Wie oben schon erwähnt, ist es wegen der Problematik von Privatpatienten sowieso sinnvoll, als Honorararzt eine partielle Anstellung am Krankenhaus anzustreben. In diesem Fall ist die Sozialversicherungspflicht sowieso fällig. Es bleibt dann immer noch die Frage nach dem angemessenen Gehalt (kein Honorar mehr). Dazu wird es leider wegen des Antikorruptionsgesetzes keine verbindliche Aussage geben können. Vorstellbar ist eine projektive Kalkulation der zu erwartenden Honorare, die dann als Gehaltszahlung vereinbart werden müssen, auch in Form eines Sockels mit ggf. erfolgsabhängigen Bonuszahlungen. Leider darf man davon ausgehen, dass die Kliniken diese ihnen zusätzlich entstehenden Lohnnebenkosten auf den Honorararzt werden abwälzen wollen.

Jedenfalls sehen wir mit diesem Urteil kein Menetekel mit einer sofortigen Abschaffung des Honorararztsystems, sondern eine zwar lästige, aber zu bewältigende administrative Hürde, die am Ende auch eher zu rechtssicheren Vertragsverhältnissen führen wird.

Rüggeberg JA, Heberer J, Butzmann O: Sozialversicherungspflicht für Honorarärzte. Juli; 9(07): Artikel 04_06_01.

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Dr. med. Jörg-Andreas Rüggeberg

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