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Die Notwendigkeit, Patienten präoperativ über Risiken eines bevorstehenden Eingriffs aufzuklären, gehört mittlerweile zum Basiswissen jedes Arztes – und dennoch beschäftigt die ärztliche Aufklärung immer wieder die Gerichte.

Die ärztliche Aufklärungspflicht ergibt sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Jeder Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten – auch der lege artis durchgeführte – gilt als strafbewehrte Körperverletzung, die nur bei wirksamer Einwilligung des Patienten gerechtfertigt ist. Da die Einwilligung aber nur dann wirksam sein kann, wenn der Patient weiß, in was genau er einwilligt, treffen den behandelnden Arzt umfangreiche Aufklärungspflichten, um eine selbstbestimmte Entscheidung des Patienten zu ermöglichen.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist die allgemeine Aufklärungspflicht des Arztes seit der Einführung des Patientenrechtegesetzes im Jahr 2013 (§ 630e BGB).

Allgemeine Grundsätze der Patientenaufklärung

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z. B. BGH-Urteil vom 06.07.2010, VI ZR 198/09) muss der Arzt dem Patienten vor Beginn einer Behandlung im Aufklärungsgespräch eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch damit verbundenen Risiken vermitteln. Der Patient soll in die Lage versetzt werden zu verstehen, was auf ihn zukommt, wenn er in die Behandlung einwilligt. Medizinische Details sind nicht notwendig. Es genügt, dass der Patient die behandlungstypischen Belastungen und Risiken „im Großen und Ganzen“ erfassen kann.

Im Rahmen der Aufklärung ist der Patient darüber hinaus über die Dringlichkeit einer Behandlung bzw. über die möglichen Risiken einer Nichtbehandlung aufzuklären. Auch über alternative Behandlungsmethoden ist er zu informieren, sofern es für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten gibt, die zu unterschiedlichen Belastungen führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben.

Die konkreten Anforderungen an den Umfang der Aufklärung hängen von der Art, der Dringlichkeit und der Schwere des Eingriffs ebenso ab wie von den damit verbundenen, möglichen Risiken und Folgen. Auch der Bildungs- und Wissensstand des Patienten spielt eine Rolle. Letztendlich ist also immer im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, wie weit die ärztliche Aufklärung gehen muss.

Entfallen kann die Aufklärung nur ausnahmsweise, etwa bei Notfalleingriffen, die der Lebensrettung des Patienten dienen.

Die Aufklärung ist in angemessenem zeitlichen Abstand vor dem geplanten Eingriff vorzunehmen, damit der Patient seine Entscheidung für oder gegen die Operation in Ruhe und ohne Zeitdruck treffen kann. Spätestens am Vortag des Eingriffs sollte die Aufklärung erfolgen (allerdings nicht erst am Vorabend). Lediglich bei ambulanten Operationen kann es in Ordnung sein, den Patienten erst am Tag des Eingriffs aufzuklären, wenn es sich um eine Routine-OP handelt und trotz der kurzen Zeit gesichert ist, dass der Patient seine Entscheidung in Ruhe und ohne Druck treffen kann.

Die Aufklärung ist in laienverständliche Worte zu kleiden, damit der Patient die Aufklärungsinhalte erfassen kann. [1]

  • Der Arzt vergewissert sich im Aufklärungsgespräch, dass der Patient die Information verstanden hat und keine weiteren Informationen wünscht.

Die Aufklärung obliegt grundsätzlich einem fachkundigen Arzt und darf keinesfalls an nichtärztliches Personal delegiert werden. Der Arzt muss dafür das persönliche Gespräch mit dem Patienten suchen, um sicherzustellen, dass er auf etwaige Fragen des Patienten sachgerecht eingehen und sich ein Bild davon machen kann, ob der Patient die Informationen verstanden hat. Letzterem ist dabei – in Grenzen – zuzumuten, bei Unklarheiten Fragen zu stellen. Macht der Patient aufgrund offensichtlicher Verständnisschwierigkeiten von der Fragemöglichkeit keinen Gebrauch, ist die Behandlung, wenn sie trotzdem vorgenommen wird, mangels wirksamer Einwilligung objektiv rechtswidrig. Die Haftung des Arztes entfällt allerdings mangels Verschulden, wenn dieser nichts von den Verständnisschwierigkeiten des Patienten wusste und deshalb von einer wirksamen Einwilligung ausgehen durfte.

Achtung: Die in der täglichen Praxis üblichen Aufklärungsformulare ersetzen nicht das persönliche Aufklärungsgespräch. Sie können den vertrauensvollen und individuellen Dialog zwischen Arzt und Patient lediglich unterstützen. Wird im Streitfall vor Gericht ein ausgefüllter und unterschriebener Aufklärungsbogen vorgelegt, werten die Richter dies gemeinhin nur als ein Indiz unter vielen für den Nachweis, dass die Aufklärung nach Maßgabe der schriftlichen Bestätigung stattgefunden hat.

  • Die Patientenaufklärung wird stets von einem fachkundigen Arzt in einem persönlichen Gespräch durchgeführt. Der aufklärende Arzt verfügt über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige theoretische Befähigung in Form einer gezielten Einweisung. Dies gilt auch bei fachübergreifenden Aufklärungen.

Fremdsprachige Patienten

Sprachliche Verständigungsschwierigkeiten können bei der Aufklärung ein großes Hindernis sein. Die Behandlung ausländischer Patientinnen und Patienten ist gerade im Zuge der Einwanderungswelle im Praxis- und Krankenhausalltag zunehmend an der Tagesordnung. Oft ist in solchen Fällen aufgrund von Sprachbarrieren keine oder zumindest keine sichere Verständigung zwischen Arzt und Patient möglich.

Dennoch wird Ärztinnen und Ärzten abverlangt, dass sie auch ausländische Patienten so aufklären, dass diese die Informationen inhaltlich nachvollziehen. Der Arzt kann sich vor Gericht weder auf eine reduzierte Aufklärungspflicht gegenüber fremdsprachigen Patienten noch auf Beweiserleichterungen berufen. Fehlen indes dem ausländischen Patienten die Sprachkenntnisse, ist die Kommunikation zwischen Arzt und Patient und somit eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht möglich. Eine Zwickmühle.

Willigt der Patient nach der Aufklärung in den Eingriff ein, obwohl er die Aufklärung nicht verstanden hat, ist die Einwilligung rechtlich unwirksam. In einem Prozess ist es für den Arzt schwierig, sich zu entlasten, denn er ist es, der darlegen und beweisen muss, dass der fremdsprachige Patient der Aufklärung eben doch folgen konnte (so z. B. KG Berlin, Urteil vom 08.05.2008, 20 U 202/06).

Grundsätzlich gilt das oben Beschriebene auch für den Umgang mit fremdsprachigen Patienten. Für deren ordnungsgemäße Aufklärung gelten dieselben Grundsätze und Voraussetzungen wie für nicht fremdsprachige Patienten.

Doch wie lassen sich Verständigungsprobleme bei der Aufklärung von fremdsprachigen Patienten im Praxis- und Klinikalltag lösen? Welche Auswirkungen hat es für den Arzt, wenn seine Aufklärung aus Verständigungsgründen nicht den Erfordernissen entsprechen konnte.

Nach der allgemeinen Rechtsprechung besteht zwar für den aufklärenden Arzt keine grundsätzliche Pflicht, sich mit ausländischen Patienten nur per Sprachmittler zu verständigen (so KG Berlin, s. o.). Er muss aber in jedem Fall seine Ausdrucksweise an die Sprachkenntnisse des Patienten anpassen. [1] Wenn zu befürchten ist, dass der Patient die deutsche Sprache nicht genügend beherrscht, ist eine sprachkundige Person hinzuziehen (so z. B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.10.1989, 8 U 60/88).

Oft lassen sich sprachunkundige Patienten von Familienangehörigen oder Bekannten, die des Deutschen mächtig sind, in die Arztpraxis oder ins Krankenhaus begleiten, sodass diese mit dem Arzt kommunizieren und übersetzen können. Die Voraussetzung für eine zielführende Aufklärung ist allerdings, dass die Begleitpersonen in der Lage sind, dem Patienten die medizinische Situation vom Laienstandpunkt aus verständlich darzulegen. Wichtig für den aufklärenden Arzt: Nicht die Begleitperson ist aufklärungsbedürftig, sondern allein der Patient. Es genügt also nicht, lediglich den sprachkundigen Familienangehörigen oder Bekannten aufzuklären. Der Arzt hat vielmehr sicherzustellen, dass der Sprachmittler die Aufklärungsausführungen für den Patienten übersetzt. [2] Hilfreich kann es dabei sein, die ärztlichen Ausführungen durch Zeichnungen und Skizzen zu illustrieren. Nicht verlangt wird jedoch im Allgemeinen, dass der Arzt, der die Sprache des Patienten nicht beherrscht, sich von der inhaltlichen Richtigkeit der Übersetzung überzeugt. Allerdings sind die Anforderungen an die „Übersetzung“ umso höher, je schwerwiegender und risikoreicher der geplante Eingriff ist.

Gibt es keinen sprachkundigen Begleiter des Patienten, können sprachkundige Praxis- oder Krankenhausmitarbeiter wie Ärzte, Schwestern oder Reinigungskräfte herangezogen werden, um eine Verständigung mit dem Patienten zu ermöglichen (so z. B. OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.08.1995, 13 U 44/94). Es bietet sich an, im Krankenhaus bzw. in der Praxis eine Liste aller fürs Übersetzen geeigneten Mitarbeiter anderer Nationalitäten zu führen, die nach den jeweiligen Sprachen geordnet ist.

Sind weder sprachkundige Begleitpersonen noch sprachkundige Mitarbeiter greifbar, bleibt bei Verständigungsproblemen nur noch die Option, einen Dolmetscher hinzuzuziehen. Nach unserer Interpretation der Gesetzesbegründung zum Patientenrechtegesetz dürften die Kosten für externe Übersetzungsleistungen vom Patienten selbst zu tragen sein.

  • Ist bei einem fremdsprachigen Patienten nicht sichergestellt, ob dieser die Erläuterungen des Arztes versteht, zieht der Arzt mit Einwilligung des Patienten eine sprachkundige Person hinzu (z. B. sprachkundige Angestellte des Krankenhauses). Auf dem Aufklärungsformular wird vermerkt, dass das Gespräch unter Hinzuziehung einer sprachkundigen Person erfolgte. Der Name der Person wird dokumentiert.
  • Die sprachkundigen Angestellten des Krankenhauses, die zu Aufklärungsgesprächen hinzugezogen werden können, sind in einer aktuellen Liste aufgeführt. Diese ist an einer zentralen Stelle in der Einrichtung hinterlegt.
  • Zum Einsatz kommen standardisierte fremdsprachliche Aufklärungsbögen. Das Verfahren, wie die Nutzung und die Dokumentation in diesem Fall vorzunehmen ist, ist klinikintern definiert.

Für den aufklärenden Arzt empfiehlt es sich, unterstützend eine schriftliche Information in der Muttersprache des jeweiligen ausländischen Patienten einzusetzen. Die gängigen gewerblichen Aufklärungs- und Anamnesebögen sind in zahlreichen fremdsprachigen Versionen verfügbar. Sie sind wie die deutschen Aufklärungsbogen aufgebaut und können daher parallel zu diesen eingesetzt werden. Wie oben erwähnt, reicht es für eine ordnungsgemäße Aufklärung jedoch nicht aus, ausschließlich einen schriftlichen Aufklärungsbogen zu verwenden, denn sowohl Gesetz als auch Rechtsprechung fordern, den Patienten mündlich zu informieren. Entscheidend für eine ordnungsgemäße Aufklärung ist und bleibt daher das vertrauensvolle Gespräch zwischen Arzt und Patient.

 

Achtung: Eine ordnungsgemäße Aufklärung ist nicht gegeben,

  • wenn einem dem Deutschen nicht mächtigen Patienten die erforderliche Information übermittelt wird, ohne dass ein Sprachmittler zur Verfügung steht,
  • wenn es Anzeichen gibt, dass der Patient trotz Übersetzung der Aufklärung nicht folgen kann,
  • wenn erkennbar ist, dass die Angehörigen dem Patienten bewusst Informationen vorenthalten – etwa um ihn zu schonen.

In diesen Fällen liegt keine wirksame Einwilligung des Patienten in die Behandlung vor, sodass eine gleichwohl durchgeführte medizinische Maßnahme einen rechtswidrigen Eingriff darstellt.

Bei unüberwindbaren Sprachbarrieren hat jeder Arzt das Recht – und oft auch die Pflicht – eine Behandlung abzulehnen, sofern ein zeitlicher Aufschub bis zur ärztlichen Intervention tolerabel ist. Der sachliche Grund für die Ablehnung der Behandlung ist natürlich unbedingt zu dokumentieren.

Bei dringlichen Behandlungen, die keinerlei Aufschub dulden, oder bei drohender Lebensgefahr, ist die notwendige medizinische Maßnahme – z. B. die nicht ablehnbare Erste Hilfe – trotz Sprachbarriere vorzunehmen. Der Arzt kann in solchen Fällen die mutmaßliche Einwilligung des Patienten in die Maßnahme unterstellen und „ungefragt“ das medizinisch Notwendige veranlassen. Die Anforderungen an die Aufklärung sind umso geringer, je dringender der Eingriff bzw. die Intervention für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit des Patienten ist.

Fremdsprachige Ärzte

Mit zunehmendem Ärztemangel sind immer mehr ausländische Ärzte in deutschen Kliniken beschäftigt, sodass sich die Verhältnisse immer häufiger umkehren und Patienten von fremdsprachigen Ärzten aufgeklärt werden. Nach Angaben der Bundesärztekammer ist die Zahl der in Deutschland gemeldeten ausländischen Ärzte bereits im Jahr 2010 um 7,9 Prozent auf 25.316 gestiegen. Besonders stark zugenommen habe die Zahl der ausländischen Ärzte, die in Krankenhäusern tätig sind. Sie stieg um 12,2 Prozent. [3]

Auch für eine solche Konstellation wird gefordert, dass die Aufklärung in verständlicher Form zu erfolgen hat und bestehende Sprachbarrieren bei Bedarf mittels Sprachmittler überwunden werden. Kann der Patient einer in gebrochenem Deutsch erfolgten Aufklärung nicht folgen, gilt auch dies als unzureichende Aufklärung – mit den geschilderten haftungsrechtlichen Folgen. Der ausländische Arzt trägt das „Aufklärungsrisiko“, wenn eine sichere Verständigung mit dem Patienten nicht ohne Weiteres möglich ist.

  • Die Sprachkompetenz fremdsprachiger Mitarbeiter wird im Rahmen der Einstellung geprüft (zusätzlich zu einem ggf. notwendigen Sprachzertifikat). Bei der Einarbeitung wird die Fremdsprachigkeit berücksichtigt (Einsatzgebiet, Aufgabenzuordnung, ggf. längere Einarbeitungsphasen).

Fazit und Hinweise für die Praxis

Zusammenfassend halten wir fest, dass der ordnungsgemäßen ärztlichen Aufklärung von Patienten eine enorme Bedeutung zukommt. Dies zeigt auch der in Arzthaftungsprozessen zu beobachtende Trend, dass Geschädigte neben der Geltendmachung von Behandlungsfehlern zunehmend auch die Verletzung von Aufklärungspflichten rügen, um erfolgreich Schadenersatz- oder Schmerzensgeldansprüche durchsetzen zu können. Die Chancen stehen gut, denn wenn es darum geht herauszufinden, ob die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt ist oder nicht, trägt – anders als bei Behandlungsfehlern – nicht der Patient die Beweislast vor Gericht, sondern der Arzt.

Umfang und Procedere der ärztlichen Aufklärung hängen im Praxis- und Klinikalltag immer vom konkreten Einzelfall ab. Unsere obigen Darstellungen sollen Ärzten zunächst einen Überblick über die Problematik der Aufklärung von fremdsprachigen Patienten verschaffen mit dem Ziel, mehr Sicherheit in der täglichen Anwendung zu gewinnen.

Literatur

[1] Gausmann, Peter; Henniger, Michael; Koppenberg, Joachim (Hg.) (2015): Patientensicherheits-Management. 5.6.3 Patientenaufklärung aus juristischer Perspektive. Autorin: Nadja Betke, S. 170-177. Berlin/Boston: de Gruyter

[2] Muscher, Jens, Haftungsrechtliche Besonderheiten bei der Aufklärung ausländischer Patienten, in: VersR2003, S. 826

[3] Henke, Rudolf, Vorsitzender des Marburger Bundes, Fremdsprachige Ärzte sorgen für Missverständnisse, in: Handelsblatt vom 22.05.2012

Behrens M. / Fleischer M. Safety Clip: Die Aufklärung fremdsprachiger Patienten. Passion Chirurgie. 2017 März, 7(03): Artikel 04_03.

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