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© iStock/Ulf Wittrock

Nachdem im April 1960 der Berufsverband gegründet war, beschloss acht Jahre später der geschäftsführende Vorstand in Hamburg in seiner Sitzung am 10.02.1968 die Schaffung eines Justitiariats und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit dem Justitiar, Prof. Dr. med. h.c. W. Weißauer. Professor Weißauer erklärte sich damals bereit, für die Beratung in grundsätzlichen rechtlichen Fragen, die mit der Berufspolitik zusammenhängen, zur Verfügung zu stehen und zwar in folgenden juristischen Bereichen: Arztrecht, Straf-, Zivil-, Verfassungs- und öffentliches Recht. 1968 hatte der BDC 1.433 Mitglieder, sein Kassenstand betrug 50.158,61 DM.

Knapp drei Jahrzehnte arbeitete Professor Weißauer überaus erfolgreich und segensreich für die Mitglieder des BDC sowie in engem Vertrauen mit dem Präsidenten und den Vorstandsmitgliedern des Berufsverbandes. Maßgeblich war Professor Weißauer an der Entwicklung der guten Serviceleistungen des Berufsverbandes beteiligt. In diesem Zusammenhang sei beispielhaft die 1980 eingeführte Strafrechtsschutzversicherung für die Mitglieder des Berufsverbandes erwähnt. Im Jahr 1985 betrug die Jahresprämie hierfür 45,00 DM. Als weitere Serviceleistung wurde 1986 die juristische Beratung von sogenannten Chefarztdienstverträgen angeboten. Bis heute konnte auf diesen Serviceleistungen aufgebaut und dieselben ganz erheblich erweitert werden. Durch die Weiterentwicklung wurde die Rechtsschutzversicherung in den letzten zehn Jahren und auch die Vertragsberatung um ein Vielfaches erweitert. Umso erstaunlicher ist die Prämienentwicklung von heute sage und schreibe nur 49,00 EUR für die seit 25 Jahren währende und immer wieder um weitere Rechtsgebiete erweiterte und verbesserte Rechtsschutzversicherung für unsere Mitglieder.

In den 90er Jahren sind weitere Aktivitäten des BDC-Justitiars Weißauer zu Fragen medico-legaler Bedeutung besonders der Aufklärung, zum sogenannten Facharzturteil, zur Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen etc. wegweisend beantwortet worden. Die klare Denkweise des Juristen Professor Weißauer wurde nicht nur von Professor Hempel in der Chronik „40 Jahre BDC“ gelobt, sondern seine „juristische Lehre“ setzte auch über die Grenzen der Chirurgie wichtige Klarstellungen. Im Jahre 1997 äußerte Professor Weißauer die Absicht, mit dem anstehenden Präsidentenwechsel im Jahr 1998 seine Tätigkeit als Justitiar des BDCs zu beenden.

Aus der Beraterpraxis erzählte mir Professor Hempel einige kuriose Fälle. So wünschte zum Beispiel ein sehr aufgebrachter Chefarzt einen Besprechungstermin mit dem Präsidenten und dem Justitiar des BDC. Zu dem vereinbarten Termin in der Geschäftsstelle des BDC in Hamburg erschien der Chefarzt und berichtete hoch emotional von den Ärgerlichkeiten mit der Geschäftsführung und den Kollegen in seiner Klinik.

Nachdem über eine Stunde die Herren Professoren Hempel und Weißauer den verärgerten Schilderungen des Chefarztes wortlos zugehört hatten, sprang dieser auf, bedankte sich überschwänglich für das gute und hilfreiche Gespräch und verabschiedete sich. Ein Beispiel für eine gute, wortarme Beratung, so Professor Hempel zu seinem Justitiar.

Wie aus der Chronik von Professor Hempel zu entnehmen, standen einige hochqualifizierte Juristen als Nachfolger für Professor Weißauer zur Auswahl. Nach eingehender Diskussion im geschäftsführenden Präsidium im November 1997 fiel die Wahl einstimmig auf den Verfasser dieses Berichtes.

Ich erinnere mich bei meinem Beginn als Nachfolger von Professor Weißauer mit großer Dankbarkeit an den damaligen Präsidenten und leider verstorbenen Ehrenpräsidenten Professor Hempel, mit dem ich bis zu dem Präsidentenwechsel an Professor Witte eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Jedes Mal, wenn ich wöchentlich in Hamburg eintraf, haben wir die täglichen medico-legalen Alltagsprobleme der Chirurgen sowie Grundsatzfragen, Hintergründe und Zusammenhänge des chirurgischen Alltages und dessen Probleme ausführlich besprochen.

Nach fast drei Jahrzehnten erfolgreicher Justitiarstätigkeit durch Professor Weißauer war es für mich eine große Aufgabe, das Justitiariat in den seither vergangenen 23 Jahren beständig weiterzuentwickeln. Damals bei Beginn meiner Aufgabenbewältigung als Justitiar hatte der Berufsverband knapp 10.000 Mitglieder, heute zählt er gut 17.000. Geht man daher von einer 75-prozentigen Steigerung der Mitgliederzahl und einer erheblichen Vermehrung der Verrechtlichung in der Medizin und im Besonderen in der Chirurgie aus, so hat sich das Arbeitsaufkommen des Justititars in dieser Zeit weit mehr als verdoppelt.

Alle Bereiche des Straf-, Zivil-, Sozial- und insbesondere des Arbeitsrechtes haben deutlich zugenommen. Veröffentlichungen und Seminare vermehrten auch im juristischen Bereich das Tätigkeitsfeld des Berufsverbandes.

Während damals die Schreibarbeiten als persönliche Eigenart des damaligen Justitiars handschriftlich und dann von der Geschäftsstelle in Brief und Fax umgesetzt wurden, sind heute das Diktat, das Schreiben und Versenden vornehmlich als E-Mail von der Geschäftsstelle des Berufsverbandes nach München in meine Kanzlei verlagert.

Regelmäßig bin ich einen Tag in der Woche in der Geschäftsstelle zunächst in Hamburg und nunmehr seit 20 Jahren in Berlin anwesend. Daneben bin ich täglich in meiner Kanzlei in München persönlich, telefonisch, per Fax oder E-Mail immer erreichbar. Im Schnitt erreichen mich pro Tag ca. 12 Fragen von Mitgliedern des Berufsverbandes. Dazu zählen schriftliche Anfragen – überwiegend mittlerweile per E-Mail – sowie im Besonderen kurze und auch überaus ausführliche Telefongespräche. Hierbei stehen natürlich in der Hauptsache berufliche Belange im Vordergrund, teilweise aber auch sehr persönliche Anfragen bis hin zu Ehe- und Erbstreitigkeiten.

Ich bin froh und dankbar, dass ich dabei auf die volle Unterstützung meiner Kanzlei bauen kann und ich darf an dieser Stelle erwähnen, dass die umfangreiche Arbeit ohne die Unterstützung meiner Kollegen und Fachanwälte für Medizinrecht, Strafrecht und Arbeitsrecht in der Kanzlei sicherlich nicht in dieser Form möglich wäre.

Trotz der Fülle der Anfragen ist es mir ein Anliegen, dass auch alle schriftlichen Anfragen zeitgerecht (oftmals noch am selben Tag – spätestens innerhalb einer Woche) beantwortet werden.

Insgesamt wurden im Jahr 2019 nahezu 100 Gutachten für die Dienstverträge vornehmlich der Chefärzte aber auch der Oberärzte erstellt. So haben wir beispielsweise in 2019 insgesamt ca. 1.500 Stunden, also rund 40 Arbeitswochen (gerechnet auf einen Anwalt) aufgewandt, um die Mitglieder des Berufsverbandes zu beraten.

Aus der Fülle an kuriosen Fällen sei einer beispielhaft erwähnt: Ein Chefarzt wurde fristlos gekündigt. Die Gründe waren eher unbedeutend und hätten vor dem Arbeitsgericht nicht Stand halten können, allenfalls eine Abmahnung hätte gerechtfertigt sein können. Einen Tag vor dem Arbeitsgerichtstermin rief mich der Chefarzt an, ich möge bitte die Kündigungsschutzklage zurücknehmen. Ungläubig erwiderte ich, wir würden die Klage nahezu mit Sicherheit gewinnen. Nein, er wollte trotz dieser Erfolgsaussichten mit der Klinik nichts mehr zu tun haben. Er habe letzte Woche einen mehrstelligen Millionenbetrag im Lotto gewonnen. Eher würde er die Klinik kaufen, und den Herren zeigen, wo es langgeht. Auf diese Weise hatte sich meine Beratung bzw. der Arbeitsgerichtsprozess erledigt.

Nicht mit eingerechnet sind dabei die Anwesenheitszeiten in Berlin, die für mich einen der zentralen Punkte meiner Tätigkeit darstellen. Gerade auch das erfreuliche und von wechselseitiger Wertschätzung und Unterstützung getragene Teamwork mit den Mitarbeitern des Berufsverbandes, allen voran natürlich Professor Meyer als Präsident und der Geschäftsführerin Frau Dr. Burgdorf, ist eine der Säulen der erfolgreichen Tätigkeit als Justitiar eines Verbandes mit einer so großen Mitgliederzahl.

Beispielhaft für die höchst vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit den Gremien des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen sei das außerordentlich gute und konstruktive Verhältnis mit den fünf Präsidenten, Professor Hempel, Professor Witte, Professor Polonius, Professor Bruch und insbesondere nunmehr mit Professor Meyer, von mir dankbar erwähnt. Letzterer hatte auch durch seine Eigenschaft als Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie eine erfreuliche Nähe zwischen BDC und DGCH geschaffen, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer gegeben war. Die steten Zusammentreffen in Sitzungen, an meinen Arbeitstagen in Berlin sowie in zahlreichen Telefongesprächen halfen und helfen mir bei der Bewältigung der juristischen Aufgaben des Berufsverbandes sehr viel weiter. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die vier Geschäftsführer des BDC, Dr. Felsing, Dr. Ansorg, Dr. Dittmar und jetzt Frau Dr. Burgdorf erwähnen, mit denen ich allesamt stets sehr eng und vertrauensvoll zum Wohle unserer Mitglieder zusammenarbeiten durfte.

Die Verrechtlichung der Medizin und auch die Zahl der Haftungs- und Strafverfahren werden langsam steigen, sicher aber nicht sprunghaft, wie dies manche Kommentare in der Literatur befürchten.

Ich werde mich auch zukünftig mit großer Freude und mit großem Engagement für die Belange unserer sämtlichen Mitglieder des Berufsverbandes einsetzen und weiter daran arbeiten, dass der BDC als kompetenter Partner seiner Mitglieder in allen medico-legalen Aspekten wahrgenommen wird.

Heberer J: Rechtsbeistand für BDC-Mitglieder. Passion Chirurgie. 2020 März, 10(03): Artikel 04_08.

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Dr. jur. Jörg Heberer

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