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Die Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämme (MRSA) gehören zu den häufigsten Infektionserregern im Krankenhaus. Das Staphylococcus aureus-Bakterium kommt üblicherweise bei rund 30 Prozent aller Menschen auf der Haut oder in den oberen Atemwegen vor. Jedoch können multiresestente Varianten besondere Probleme im Krankenhaus verursachen, etwa Lungenentzündungen, Sepsis oder auch Wundinfektionen.

Aber zieht dieses sehr erhöhte Infektionsrisiko ein besonderes rechtliches Haftungsrisiko nach sich? Was besagen die Urteile aus der Rechtsprechung hierzu? Der folgende Artikel gibt einen Überblick und stellt exemplarisch einige Prozessfälle dar.

Fall 1: Urteil des OLG Naumburg

Im dortigen Fall war ein 67-jähriger Patient an multiplem Organversagen gestorben, aufgrund einer Sepsis nach MRSA-Infektion.

Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg verneinte jedoch mit Urteil vom 12. Juni 2012 (Az.: 1 U 119/11) einen Behandlungsfehler und wies die Haftungsklage ab. Die Begründung des Gerichts: Allein die Infektion mit einem MRSA-Keim lasse nicht auf ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen schließen. Ein Behandlungsfehler liege erst dann vor, wenn Ärzte nachweislich Qualitätsstandards etwa bei der Hygiene unterschritten hätten. Zudem müsse dies die Schädigung beim Patienten konkret verursacht haben. Dies habe die Patientenseite im dortigen Verfahren nicht nachweisen können.

Den von der Patientenseite im Prozess gerügten Dokumentationsmangel verneinte das OLG Naumburg ebenfalls. Allgemeine Hygienemaßnahmen für jeden einzelnen Patienten in der Patientenakte zu dokumentieren, sei nicht generell erforderlich. Geboten sei dies nur in Ausnahmesituationen, etwa bei einer besonderen Immunschwäche des Patienten oder zum Schutz Dritter vor Ansteckung. Letzterem sei entsprochen worden, da in der Klinik nach erkennen der MSRA-Infektion der entsprechende „Doku-Bogen für die Isolierung von Patienten“ verwendet und ordnungsgemäß ausgefüllt worden sei.

Über generelles Keimrisiko in Kranken­häusern muss nicht ungefragt aufgeklärt werden

Außerdem hatte die Patientenseite den Vorwurf eines Aufklärungsfehlers erhoben. Vor Durchführung des Eingriffes hätte man gesondert aufklären müssen, dass aufgrund von Vorschädigungen „mehrfache Wundpforten“ für das Einbringen von Keimen vorhanden gewesen sein – so die Argumentation von Patientenseite. Auch dies sah das OLG Naumburg anders: Nur wenn der geplante Eingriff ein zusätzliches Infektionsrisiko zum Beispiel durch Diabetes oder durch die Operation selbst mit sich bringe, müsse der Patient hierauf explizit hingewiesen werden. Dass man sich in jeder Klinik möglicherweise mit Keimen infizieren könne, sei jedoch allgemein bekannt. Auch Antibiotikaresistenzen seien ein generelles Problem in Krankenhäusern, worüber man die Patienten nicht ungefragt aufklären müsse.

Fall 2: Urteil des OLG München

In einem weiteren Haftungsprozess betreffend MRSA hatte das OLG München zu entscheiden, das mit Urteil vom 06. Juni 2013 (Az.: 1 U 319/13) im Ergebnis ebenfalls die Haftungsklage des Patienten abwies.

Dort ging es um einen 45-jährigen Patienten, der wegen einer Magen-Darm-Erkrankung durch den Notarzt in die Klinik eingeliefert wurde. Er wurde dann in einem Dreibettzimmer neben einem Patienten untergebracht, dessen Beinwunde schlecht verheilte. Der deswegen gemachte Abstrich ergab den Befund „MRSA-Besiedelung“. Nach Feststehen dieses Befundes bei seinem Zimmernachbarn wurde der Magen-Darm-Patient sogleich in ein Einzelzimmer verlegt. Auch bei ihm wurde ein Abstrich entnommen, der den Befund „Rachen/Nase positiv, Leiste und Achseln negativ“ ergab.

Der Patient erhob Haftungsklage und stütze diese darauf, der Befall mit dem MRSA-Keim während seines stationären Aufenthaltes sei durch eine ärztliche Pflichtverletzung verursacht worden. Es seien Hygienevorschriften vernachlässigt worden. Zudem müsse zu seinen Gunsten die Beweislastumkehr in der Konstellation „vollbeherrschbares Risiko“ greifen. Darauf zog er den Schluss, nicht er müsse beweisen, dass er sich die Keime im Krankenhaus geholt habe, sondern die Klinikärzte müssten das Gegenteil nachweisen, dass er die Keime schon vorher gehabt habe.

Dies beurteilte das OLG München anders. Die Klageabweisung begründete das Gericht wie folgt: Es sei schon die Frage zu stellen, ob eine kurzeitige lokale MRSA-Besiedelung überhaupt geeignet sei, gesundheitliche Spätschäden zu verursachen. Unabhängig davon habe der Patient einen Behandlungsfehler nicht beweisen können. Es stehe nicht fest, dass der Patient den MRSA-Keim erst in der Klinik erworben habe.

Nach dem derzeitigen Standard müsse nicht jeder Patient bei Aufnahme in einem Krankenhaus auf MRSA getestet werden. Auch sei es nicht a priori behandlungsfehlerhaft gewesen, den Magen-Darm-Patienten neben dem Patienten mit offener Beinwunde unterzubringen. Die Klinikärzte seien fachgerecht vorgegangen, indem sie den anderen Patienten unmittelbar nach Entdecken der MRSA-Keimbesiedelung gemäß Laborergebnis isoliert und zudem von den Mitpatienten Abstriche genommen hätten.

Keine Beweislastumkehr zu Gunsten des Patienten

Das OLG München stellte klar, dass der Tatbestand der Infektion eines Patienten mit einem multiresistenten Erreger während eines Klinikaufenthaltes für sich genommen keinen Rückschluss auf einen Behandlungsfehler zulasse. Zur Begründung gab das Gericht an: Da sich Keime jederzeit ohne vollständige Kontrollierbarkeit verbreiten können, sei dies durch angemessene Vorsorgemaßnahmen nicht auszuschließen. Insofern handele es sich um nicht beherrschbare Gründe, die dem Lebensrisiko des Patienten zuzuordnen seien und keine Haftung der Behandlerseite begründen könnten.

Auch andere Urteile bestätigen Beweislast auf Patientenseite

Diese Sichtweise der Rechtsprechung wird auch durch zwei nachfolgende Gerichtsurteile bestätigt: In einem Urteil vom 29. Januar 2015 (Az.: 8 U 107/13) hat das OLG Düsseldorf hervorgehoben, dass das Auftreten eines Staphylococcus aureus-Keimes auch bei Einhaltung der erforderlichen Hygienevorschriften in einem Krankenhaus nicht sicher vermeidbar ist. Daher könnten der Patientenseite Beweiserleichterungen in diesem Zusammenhang nicht zu Gute kommen. Vielmehr bleibe es bei dem Grundsatz, dass der Patient eine ärztliche Pflichtweisung beweisen müsse. Er müsse also nachweisen, dass mangelnde Hygiene im Krankenhaus die Infektionsursache gewesen sei.

Nach Klarstellung durch das OLG Hamm in seinem Urteil vom 15. April 2015 (Az.: 26 U 125/13) obliegt die volle Beweislast der Patientenseite auch dann, wenn während der Zeit seines Krankenhausaufenthaltes nachweislich vier weitere Patienten MRSA-Infektion erleiden. Allein diese Anzahl weiterer MRSA-Infektionen lasse keinen zwingenden Rückschluss auf Hygienemängel zu und rechtfertige keine Beweislastumkehr.

Fazit

Nach derzeit einhändiger Rechtsprechung muss der Patient im Haftungsprozess beweisen, inwiefern Hygienestandards nicht eingehalten wurden und das dies zur MRSA-Infektion und dadurch weiteren Schäden geführt hat. Allein die Tatsache, dass während eines Klinikaufenthaltes eine MRSA-Infektion festgestellt wird, ist noch kein Haftungsgrund.

Was muss dokumentiert werden?

Allgemeine routinemäßige Hygienemaßnahmen müssen nicht standardmäßig explizit in der Patientenakte festgehalten werden. Hingegen besteht eine Dokumentationspflicht hinsichtlich der eingeleiteten Maßnahmen zur Isolierung, wenn eine MRSA-Infektion festgestellt worden ist. Hier ist ein gesonderter Doku-Bogen empfehlenswert, der für alle Abteilungen des Krankenhauses mit der Klinikleitung und auch mit dem Hygienebeauftragten abgestimmt werden sollte.

Hammerl S. MRSA als Problem beim Wundmanagement – ein Haftungsrisiko? Passion Chirurgie. 
2016 Juni; 6(06): Artikel 04_01.

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Passion Chirurgie 06/2016

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