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Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob er in seiner Praxis kosmetische Pflegeprodukte an Patienten verkaufen darf bzw. ob er eine Kosmetikerin anstellen darf, die in seinen Praxisräumen die Produkte verkauft.

Antwort:

Zwar ist Ärzten eine gewerblich-unternehmerische Tätigkeit nicht grundsätzlich untersagt. § 3 Abs. 2 Muster-BO bestimmt allerdings, dass es dem Arzt untersagt ist, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter ihrer Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung nicht wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind. Folglich muss aus Sicht des Verfassers die Abgabe des Produkts in der Praxis oder die Dienstleistung medizinisch notwendig für die ärztliche Therapie sein.

Der BGH hat mit Urteil vom 02.06.2005, Az.: I ZR 317/02 in einem Fall von Lebensmittelverkauf in der Arztpraxis entschieden, dass ein rein geschäftsmäßiges und damit gegen Berufs- und Wettbewerbsrecht verstoßendes Verhalten vorliegt, wenn die abgegebenen Produkte nicht unmittelbar für die ärztliche Therapie benötigt werden. Maßgeblich für den Begriff des notwendigen Bestandteils der ärztlichen Therapie ist aus Sicht der Rechtsprechung nicht, ob das Produkt selbst, sondern ob dessen Abgabe durch den Arzt aus therapeutischen Gründen erforderlich ist (vgl. LG Rottweil, Urteil vom 16.06.2006 – 5 O 40/05 KfH). Dies dürfte nach Einschätzung des Verfassers bei Pflegeprodukten gerade nicht der Fall sein, sodass ein Verkauf durch den Arzt gegen Berufsrecht verstößt.

Ferner hat der BGH mit Urteil vom 29.05.2008, Az.: I ZR 75/05 entschieden, dass ein Arzt, der in den Räumen seiner Praxis eine gewerbliche Ernährungsberatung durchführt, weder berufsrechts- noch wettbewerbswidrig handelt, wenn er diese Tätigkeit im Übrigen von seiner freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit in zeitlicher, organisatorischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht getrennt hält. Diese strikte Trennung müsste demnach für die Zulässigkeit dieses Vorhabens zwingend eingehalten werden. Eine Anstellung der Kosmetikerin zum Verkauf der Pflegeprodukte in den Praxisräumen ist nach Meinung des Verfassers, auch wenn dieser außerhalb der Praxisöffnungszeiten erfolgt, wohl eher unzulässig.

Eine räumliche Trennung wäre nach der Rechtsprechung des BGH zur Vermeidung einer Berufsrechtswidrigkeit zwar nur erforderlich, wenn anzunehmen wäre, dass gerade von der Tätigkeit in den Praxisräumen des Arztes eine nicht gänzlich unerhebliche Wirkung in Richtung auf eine gesundheitspolitisch unerwünschte Kommerzialisierung des Arztberufes ausgeht. Dies wäre aber z. B. anzunehmen, wenn die Patienten die Tätigkeit des Arztes als Anzeichen dafür ansehen könnten, dass sein Verhalten nicht mehr in erster Hinsicht an den gesundheitlichen Interessen der Patienten, sondern an ökonomischen Erfolgskriterien ausgerichtet ist. Denn das in § 3 Abs. 2 Muster-BO bestimmte Verbot dient der Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes. Daher ist grundsätzlich eine enge Auslegung des in § 3 Abs. 2 Muster-BO enthaltenen Verbotstatbestands geboten. Insofern könnte natürlich der Verkauf von Pflegeprodukten eine solche unerwünschte Kommerzialisierungswirkung hier erzeugen. Maßgeblich sind aber immer die konkreten Umstände des Einzelfalls, weshalb hier keine abschließende Beurteilung vorgenommen werden kann.

Es ist deshalb zwingend zu empfehlen, jeglichen Zusammenhang der gewerblichen Tätigkeit mit der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit zu vermeiden, um die ärztliche Unabhängigkeit zu wahren. Auch Geschäfte zur Umgehung dieser Vorschrift sind äußerst gefahrgeneigt und kritisch zu betrachten, weshalb davon aus juristischer Sicht abgeraten werden muss. Da einige Landesärztekammern hier zwingend eine eindeutige räumliche und personelle Trennung fordern, sollte sich zur Sicherheit auch hier noch einmal erkundigt werden.

Bei einem Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Muster-BO kommt zudem in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG sogleich ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß wegen unlauterer Wettbewerbshandlung in Betracht, der zu Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen beispielsweise von Mitkonkurrenten führen könnte.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass es Ärzten gemäß § 31 Abs. 2 Muster-BO verboten ist, Patientinnen und Patienten ohne hinreichenden Grund bestimmte Ärztinnen oder Ärzte, Apotheken, Heil- und Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen zu empfehlen oder an diese zu verweisen. Ein hinreichender Grund liegt immer dann vor, wenn hierfür eine medizinische Begründung gegeben ist. Der BGH hat einen hinreichenden Grund beispielsweise im Einzelfall auch bejaht bei besserer Eignung des Anbieters oder Qualität der Versorgung, sofern diese aus Sicht des Arztes aufgrund der speziellen Bedürfnisse des einzelnen Patienten besondere Vorteile für ihn bietet (vgl. BGH Urteil vom 13.01.2011 – I ZR 111/08), schlechte Erfahrungen mit einem Konkurrenten, Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte wie ein niedriger Preis, die Vermeidung von Wegen für Gehbehinderte (vgl. BGH Urteil vom 29.06.2000 – I ZR 59/98 und vom 15.11.2001 – I ZR 275/99). Wirtschaftliche Gründe dürfen bei der Entscheidungsfindung also in jedem Falle nicht im Vordergrund stehen. Zudem darf der Arzt nicht aktiv von sich aus eine Empfehlung aussprechen, sondern der Patient muss von sich aus um eine Empfehlung bitten. In jedem Fall muss den Patienten aber ihre Wahlfreiheit bezüglich der Leistungserbringer belassen werden. Dies bedeutet, dass den Patienten die Wahl gelassen werden muss, woher sie die Produkte beziehen. Da der Patient kosmetische Pflegeprodukte auch beispielsweise in Apotheken etc. besorgen kann, muss der Patient zumindest in jedem Falle auf andere Bezugsmöglichkeiten hingewiesen werden. Dies sollte auch in jedem Fall dokumentiert werden.

Ferner stellt der Verkauf eine gewerbliche Tätigkeit dar, die steuerrechtliche Auswirkungen mit sich bringen kann. Deshalb ist zudem die sog. Infizierungstheorie zu beachten, wodurch teilweise gewerbliche Einkünfte die übrigen ärztlichen Leistungen „infizieren“ und damit gewerbe- und umsatzsteuerpflichtig machen können. Sofern ein solches Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden soll, ist dringend zu raten, diesbezüglich mit einem Steuerberater zu sprechen.

Heberer J. Abgabe von Kosmetikprodukten in der Praxis erlaubt? Passion Chirurgie. 2014 Juni; 4(06): Artikel 08_01.

 

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