Zurück zur Übersicht

Die Frage der Nachhaltigkeit hat auch das Gesundheitswesen erreicht und damit auch die Arztpraxis in jeder Organisationsform. Der Gesundheitssektor ist ein großer Umweltsünder. Gesundheitseinrichtungen verbrauchen sehr viel Energie, produzieren viel Müll (zudem Problemmüll), die Abwässer sind mit Keimen und Chemikalien und Arzneimitteln belastet. Somit muss die Frage gestellt werden, wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz in Gesundheitseinrichtungen, ohne die Versorgung von Patienten zu gefährden, erreicht werden kann.

Der Duden definiert Nachhaltigkeit knapp: „Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann. Also zum Beispiel im Wald nur so viel Holz schlagen, wie nachwachsen kann. [1]

Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung durch die Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit der beteiligten Systeme (vor allem von Lebewesen und Ökosystemen) gewährleistet werden soll. Im entsprechenden englischen Wort sustainable ist dieses Prinzip wörtlich erkennbar: to sustain im Sinne von „aushalten“ bzw. „ertragen“. Mit anderen Worten: Die beteiligten Systeme können ein bestimmtes Maß an Ressourcennutzung „dauerhaft aushalten“, ohne Schaden zu nehmen. Das Prinzip wurde zuerst in der Forstwirtschaft angewendet: Im Wald ist nur so viel Holz zu schlagen wie permanent nachwächst. Als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkannt wurde, dass alle Rohstoffe und Energievorräte auf der Welt auszugehen drohen, ging sein Gebrauch auf den Umgang mit allen Ressourcen über. [2]

Energie sparen

Aufgrund der aktuellen politischen Situation, der Preisentwicklung im Energiesektor und dem Klimawandel ist dies sicherlich die naheliegendste Stellschraube für die Nachhaltigkeit. Zudem kann hier richtig Geld gespart und die Ertragsseitseite verbessert werden. Es gilt der Grundsatz: Energie, die nicht verbraucht wird, ist am nachhaltigsten und spart am meisten Geld. Müssen alle Geräte und PCs dauerhaft eingeschaltet sein oder im Standby-Modus verbleiben? Die Raumtemperatur sollte auf ein Mindestmaß reduziert werden. In normalen Räumen wie Sozialraum, Anmeldung, Wartebereich reichen 20 °C, Flure und Treppenhäuser müssen nicht extra beheizt werden. Wechsel auf moderne digitale Heizungsthermostate, hierdurch allein lassen sich ca. 6 Prozent Heizkosten sparen. Auch in gemieteten Räumen dürfen Sie diese ohne Erlaubnis des Vermieters auf eigene Kosten selbst austauschen. [3] Beim Lüften richtig lüften, d. h. stoßlüften, nicht über gekippte Fenster dauerlüften. Fenster und Türen abdichten, ggf. einen Fensteraustauch überlegen. Hierzu gibt es Förderungen des BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle). Lampen sollten auf LED-Technik umgestellt werden. Das Licht auszumachen spart am meisten. Alte Geräte wie z. B. Kühlschränke gegen neue stromsparende Geräte austauschen. Ab einem Alter von zehn Jahren kann ein Austausch sinnvoll sein. Prüfen Sie, ob Solarpanels (Balkonkraftwerk) bis 600 Watt möglich sind. Laptops oder Clientworkstations verbrauchen weniger Strom als eine PC-Workstation.

Abb. 1: Solarpanele

Im Sommer reduzieren Verschattungen und gut isolierende Fenster den Gebrauch und Verbrauch von Klimaanlagen. Nachhaltig ist auch ein Wechsel auf Ökostrom. Bei E-Mail heißt es Zurückhaltung. Jede Mail verbraucht ca.10 gr. CO2! Muss jeder Adressat im Verteiler sein? Muss jeder Anhang sein? Messenger-Dienste sind wesentlich CO2 -sparsamer. Hier werden bald von der Gematik Messenger-Dienste zugelassen.

So wird Ihr digitaler Informationsaustausch umweltfreundlicher:

  • E-Mails nicht Ewigkeiten im Postfach aufbewahren, sondern regelmäßig löschen
  • Den Papierkorb regelmäßig leeren
  • Spamfilter einrichten
  • Fotos nur in komprimierter Version versenden
  • Newsletter abmelden, die man nicht mehr benötigt
  • Automatische Mail-Benachrichtigungen von Facebook und anderen Seiten ausschalten
  • Auf das Verschicken unnötiger Bilder und Videos verzichten

Wassersparen

Auch hier gilt: Erst gar kein Wasser verbrauchen, was unter dem Gesichtspunkt der Hygiene eher unrealistisch ist. Nutzen Sie Perlatoren an den Wasserhähnen, wenn möglich mit Wassersparfunktion und Autostopfunktion. Beim Wechsel der Perlatoren diese nach Absprache mit dem betreuenden Hygieneinstitut aufbereiten statt wegschmeißen. Nutzen Sie wassersparende Geräte wie Geschirrspüler, Waschmaschine, RDG. „Spülen mit der Maschine braucht im Durchschnitt 50 Prozent weniger Wasser und 28 Prozent weniger Energie als Handspülen“ [4] Auch das richtige Beladen von RDG und Geschirrspüler sowie diese nicht halbvoll laufen zu lassen, spart Wasser und Energie. Fragen Sie sich, ob es immer heißes oder warmes Wasser sein muss, die Hände kann man auch mit kaltem Wasser waschen.

Verbrauchsmaterialien

Wiederverwenden statt Einmalartikel. Die Praxis sollte papierfrei werden. Drucken Sie nicht jede Mail, jedes Formular aus, speichern Sie es in der Patientenakte. Die Datenschutzgrundverordnung kann laminiert ausgehängt und personalisiert in der Patientenakte digital abgelegt werden. Ebenso OP-Einwilligungen und sonstige Aufklärungsbögen. Die Industrie bietet hierzu verschiedene Varianten an. Verbrauchsmaterialien sollten recycelt werden und es sollten so weit möglich recycelte Materialien verwendet werden. Mülltrennung ist seit Jahren selbstverständlich.

Abb. 2: Mülltrennung

Auf Einmalverpackungen und Plastik sollte verzichtet werden, statt Batterien sind Akkus eine Alternative. Sterilgut kann im Sterilgut-Container sterilisiert und aufbewahrt werden, Folierungen sind nicht notwendig. Das spart Müll und Personaleinsatz. So können im OP waschbare OP-Funktionskleidung und OP-Hauben getragen werden, Einwegkleidung ist unnötig. Bei der Sterilabdeckung und Kitteln kann unter hygienischen Kautelen auch eine waschbare Alternative überlegt werden. Der elektronische Postversand, egal in welcher Form, ist umweltverträglicher als die Papierpost. Die Post gibt den CO2-Abdruck für einen Brief mit ca. 20 Gramm an.

Mobilität

Hier kann sehr viel CO2 eingespart werden. Audio-Video-Konferenzen, Meetings oder Fortbildungen ersparen die Anreise, ggf. Übernachtung und Zeitverlust. Auf das Auto sollte zugunsten des ÖPNV oder von Fahrrad/E-Bike verzichtet werden. Für die Mitarbeiter:innen gibt es Jobtickets oder E-Bike-Leasing. Ein Firmen-E-Bike als Dienstrad oder ein E-Auto sind nachhaltiger, wenn diese mit Ökostrom betrieben oder am bestem mit der eigenen Fotovoltaikanlage geladen werden.

Mit diesen Tipps lässt sich Umweltschutz in Ihrer Praxis einfach umsetzen: [5]

  • Einsparpotenziale bei Heiz- und Gebäudeenergie nutzen. Lassen Sie sich gegebenenfalls von Fachleuten zu reduziertem Energiebedarf beraten.
  • Ein Wechsel zu einem Stromanbieter von 100 Prozent Öko- oder Naturstrom aus Wind und Wasser bringt den Verzicht auf Kohle- und Atomstrom. Oft lassen sich hierbei staatliche Subventionen nutzen.
  • Wie alt sind Ihre Geräte? Ein Austausch alter Geräte gegen verbrauchsärmere neue Modelle hilft nicht nur den Energiebedarf zu senken, es wirkt sich auch positiv auf die Betriebskosten aus. Das gilt auch für Wasser!
  • Für alle Geräte mit Batterien lohnt sich der Umstieg auf wiederaufladbare Akkus.
  • Energiesparende LEDs reduzieren den Verbrauch und leben zudem länger als andere Leuchtmittel. Bewegungsmelder in allen dafür geeigneten Bereichen begrenzen die Beleuchtung.
  • Gewöhnen Sie sich das Stand-by ab! Moderne Geräte brauchen mittlerweile wenig Zeit für die Inbetriebnahme und das Aufwärmen, weshalb sich ein Bereitschaftsbetrieb außerhalb der Öffnungszeiten nicht rechnet.
  • Nutzen Sie Einsparmöglichkeiten beim Wasserverbrauch und dem Abwasser. Die gemeinnützige Beratungsgesellschaft www.co2online.de steht Ihnen dabei und in allen anderen Fragen zum Klimaschutz mit Rat und Tat zur Seite.
  • Abfall lässt sich durch ökologischen Einkauf und bewussten Verbrauch minimieren. Setzen Sie dabei auf Nachfüllpackungen und Produkte mit wenig Verpackung. Mülltrennung nicht vergessen!
  • Waschbare Textilien statt Papiertücher schonen die Umwelt – mit geeignetem Waschmittel. Schränken Sie den Verbrauch von Einwegmaterialien ein.
  • Zu Ihrer Patientenbetreuung zählen auch Hausbesuche? Ein Hybrid- oder Elektrowagen reduziert den CO2-Ausstoß. Ggf. E-Bike nutzen.
  • Flüge, etwa zu Kongressen oder Weiterbildungen, lassen sich über www.myclimate.org ausgleichen. Besser ist die Onlineveranstaltung.
  • Der Papierverbrauch lässt sich durch den Umstieg auf digitalisierte Patientenakten und Dokumente drastisch reduzieren. Für Mitteilungen und interne Kommunikation eignen sich Messenger. Befunde und Röntgenbilder können auf Tablets visualisiert werden.
  • Bestellen Sie unerwünschte Werbesendungen ab – weniger Papiermüll und Umweltschutz in einem.
  • Setzen Sie auf natürliche Ent- und Belüftung in Räumen.
  • Immer mehr Angestellte im medizinischen Bereich leiden an Allergien auf Chemikalien und Reizstoffe. Biologische VAH-zertifizierte Desinfektionsmittel schonen die Haut und die Umwelt.

Nachhaltigkeit beschränkt sich nicht nur auf Ressourceneinsparungen im Betrieb, hier die Arztpraxis, sondern lässt sich u. a. auf die Personalführung und Planung, sowie auf andere Bereiche ausdehnen. Diese sind z. B. Auswahl der Banken, Versicherungen, Geschäftspartner, Geldanlagen. Weiter gibt es das Dreieck der Nachhaltigkeit nach Professor Bernd Heins, das einen Ausgleich zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem beschreibt. Auch das persönliche Engagement für die Zukunft und ihre Folgen sowie soziales und ökologisches Engagement sind Teile eines Nachhaltigkeitskonzepts. Für die Arztpraxis ist das nachhaltige Personalmanagement wichtig.

Nachhaltiges Personalmanagement

Der Begriff steht für ein Personalmanagement, das seine Handlungen, Konzepte und Strategien an langfristigem, wirtschaftlichem Erfolg und an allen betroffenen Stakeholdern (Interessengruppen) ausrichtet. Es spricht dabei sowohl die Funktion der Personalführung als auch die der Personalverwaltung an. [6]

Nachhaltiges Personalmanagement gewinnt in Zeiten des Fachkräftemangels immer mehr an Bedeutung, somit auch für die Arztpraxis, egal in welcher Geschäftsform diese geführt wird. Geht es doch darum, sich als Arbeitgeber interessant zu machen und damit Fachkräfte zu werben und über eine entsprechende Personalentwicklung und Personalführung diese zu halten.

Merkmale des nachhaltigen Personalmanagements

  1. Personalplanung: der künftige Personalbedarf wird bezüglich der strategischen Unternehmensentwicklung und der Unternehmensziele auf höchster Entscheidungsebene im Unternehmen nach Möglichkeit langfristig ermittelt und geplant. Es geht um die kollektive wie individuelle Personalplanung, bei der eine Laufbahnplanung horizontal wie vertikal erfolgen kann.
  2. Bei der Personalentwicklung setzt man hier auf eine langfristige Strategie, um Qualifikationen und Kompetenzen der Mitarbeitenden zu erhalten und zu verbessern. Wichtig ist eine kontinuierliche Situations- und Bedarfsanalyse.
  3. Eine integrative Kommunikation umfasst interne wie externe Interessengruppen, Einzelpersonen, Einheiten und Abteilungen sowie Organisationen und dient der Information, Vernetzung und Werbung.
  4. Bei der Personalbeschaffung der für das Unternehmen erforderlichen Mitarbeitenden geht es um den Aufbau und die Aufrechterhaltung erfolgreicher und kostengünstiger Wege und Plattformen zur Personalbeschaffung, wie z. B. eine eigene interne wie externe Karriereseite, die Einstellung neuer Mitarbeiter schon als Praktikant oder Werkstudentin, Famulus/Famula, PJ-Student/in. Eine Aufwandsentschädigung oder ein kleines Gehalt können Wunder bewirken. Auf studentischen (Internet-)Foren wird dies verteilt und beworben.
  5. Der Personaleinsatz und die Personalorganisation sollten bei einer nachhaltigen Planung integrativ verbunden sein. So geht es um Nachfolgeregelungen, die gezielte Weitergabe von Wissen sichern und ein schrittweise vorgenommenes Ausscheiden aus dem Arbeitsleben ermöglichen. Neue Mitarbeiter/Innen sind kontrolliert und gut einzuarbeiten und einzugewöhnen. Die Work-Life-Balance gewinnt hier immer mehr an Bedeutung und sollte mit eingeplant werden.

Die Ziele sind ein nachhaltiges Personalmanagement, um den Erfolg eines Unternehmens langfristig zu sichern. Dabei geht es um hohe Mitarbeiterzufriedenheit für motivierte, gesunde, innovative und produktive Mitarbeitende, Attraktivität des Arbeitsgebers am Bewerbermarkt zur Anwerbung der besten passenden Kandidaten, eine Führungskultur, die das Arbeitsklima optimiert und alle Kräfte auf die Unternehmensziele bündelt. Die Generation Z wünscht flache Hierarchien, geregelte Arbeitszeiten, klar definierte Strukturen und beim ärztlichen Nachwuchs eine strukturierte Facharztweiterbildung, z. B. ein Log-Buch. Ein solches bietet der BDC an [7].

Nachhaltigkeit lässt sich ohne die Sensibilisierung und Schulung der Kollegen und Kolleginnen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht erreichen. Somit sind Schulung und ein regelmäßiger Austausch z. B. im Rahmen von Teambesprechungen sinnvoll. Je nach Größe der Einrichtung und der Tatsache, in welches Konstrukt die Arztpraxis, MVZ, BAG eingebettet ist, ist eine professionelle Beratung zielführend und kann erhebliche Nachhaltigkeitspotenziale und Einsparungen heben.

Abb. 3: Logbücher des BDC

Literatur

[1]   www.duden.de/rechtschreibung/Nachhaltigkeit

[2]   https://de.wikipedia.org/wiki/Nachhaltigkeit

[3]   www.verbraucherzentrale.de/wissen/energie/heizen-und-warmwasser/heizkosten-sparen-thermostat-richtig-einstellen-und-wechseln-7940

[4]   www.br.de/radio/bayern1/inhalt/experten-tipps/umweltkommissar/geschirr-spuelmaschine-umwelt-100.html

[5]   www.aerzte.de/aerzteratgeber/die-nachhaltige-arztpraxis

[6]   www.wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/nachhaltiges-personalmanagement-53887/version-276949

[7]   www.bdc.de/logbuecher-fuer-alle-facharztsaeulen/

Farghal D: Nachhaltigkeit in der Arztpraxis. Passion Chirurgie. 2023 März; 13 (03): Artikel 03_02.

Autor des Artikels

Profilbild von Farghal

Dirk Farghal

Stellv. Leiter Themen-Referat Niedergelassene im BDCLeiter der Arbeitsgemeinschaft Beleg- und Kooperationsärzte im BDCChirurgische Praxis am HauptbahnhofBahnhofsplatz 997424Schweinfurt kontaktieren

Weitere Artikel zum Thema

PASSION CHIRURGIE

Passion Chirurgie: Klima- & Umweltschutz in der Chirurgie

In dieser Ausgabe setzen wir das Thema „Klima und Umweltschutz“

Passion Chirurgie

Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!

Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.