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Frau Dr. C. Hagl diskutiert in ihrem Artikel [1] über die chirurgische Weiterbildung zwischen Effizienz und Ökonomie einen zunehmenden Fachkräftemangel und versucht, unter ökonomischen wie Effizienz-Gesichstpunkten Lösungswege aufzuzeigen. Einige Argumente bedürfen jedoch des deutlichen Widerspruches.

Frau Hagl rechnet uns vor, dass durch den Wegfall von ausgedehnten Chefarzt- und Intensivstationsvisiten, morgendlichen Früh- oder nachmittäglichen Indikationsbesprechungen, deren Wert sie für die Weiterbildung bezüglich des Wissenszuwaches infrage stellt, insgesamt 36.000 € oder 1.380 Stunden pro Weiterbildungsassistent/6 Jahre sinnvoller investiert werden könnten.

Eins gleich zu Beginn: Ich bin nicht der Überzeugung, dass wir das Problem der unstrukturierten chirurgischen Weiterbildung an deutschen Kliniken durch eine zunehmende Verschulung und Verlagerung vor die Klinik lösen werden. Chirurgische Weiterbildung und Effizienz und Ökonomie schließen sich nicht aus, sondern müssen als Partner verstanden wissen.

Richtig ist, dass der zunehmende ökonomische Wettbewerbsdruck mit dem Krankenhaus als Profit-Center, der soziodemographische Wandel (weltweit) einschließlich der Genderproblematik viele Gesundheitseinrichtungen vor große Probleme stellt. Es ist auch richtig, dass wenn man die Chirurgie attraktiver machen möchte, man die Generation Y mit ihrem Verlangen nach Supervision, Führung und Richtung ernst nehmen muss.

Die Chirurgie hat an ihrer Faszination nichts verloren. Die Rahmenbedingungen haben sich aber in den letzten 20 Jahren radikal verändert. Lange haben wir Chirurgen geglaubt, dies ignorieren zu können. Es gibt immer noch Kollegen, die glauben, das Rad der Geschichte zurück drehen zu können. Jawohl, richtig ist auch, dass Weiterbildung anders vergütet werden muss. Die Finanzierung über Eigenmittel der Kliniken und durch einen DRG-Obolus ist nicht richtig, nicht zeitgemäß und auch nicht gerecht. Vorsichtigen Schätzungen zufolge belaufen sich die Weiterbildungskosten pro Jahr und Assistenzarzt auf ca. 20.000 € [2]. Der wahre Wert dürfte deutlich höher liegen. Wir benötigen eine adressatengerechte und leistungsbezogene Vergütung der Weiterbildung. Wer gute Weiterbildung macht, soll diese auch finanziert bekommen.

Aber!

Wie kann man die Qualität der chirurgischen Weiterbildung messen bzw. operationalisieren?

Was sind gute Qualitätsindikatoren der chirurgischen Weiterbildung?

Was macht einen guten Chirurgen aus?

Auf keine dieser Fragen haben wir eine valide Antwort!

Eigentlich sind die angeführten Ursachen allesamt bekannt und auch von mir schon vielfach publiziert wurden.

Aber, es ist aus meiner Sicht zu kurz gedacht, wenn man glaubt, mit chirurgischen Trainingszentren oder der Abschaffung von Chef- und Intensivstationsvisiten und sogar der Röntgen- und Indikationskonferenzen diesem Problem begegnen zu können. Das Outsourcing der chirurgischen Weiterbildung an sogenannte Trainingszentren, Workshops usw. ist natürlich für den stark wachsenden Weiterbildungsmarkt ein attraktives Geschäftsfeld mit enormen Renditechancen, aber nur bedingt geeignet, die Attraktivität der Chirurgie und letztlich die Versorgungsqualität unserer Patienten zu sichern und/oder zu verbessern. Die jungen Kollegen durchlaufen diese Veranstaltungen und kehren motiviert an ihre Mutterkliniken zurück. Hier angekommen, erfolgt eine schnelle Ernüchterung. Das erlernte Wissen und Können versandet, weil die klinikinternen Strukturen, das chirurgische Weiterbildungsmanagement, nicht funktionieren. Die Folge ist, der Nachwuchs wird noch mehr frustriert. Hier scheitert die Effizienz und Ökonomie an den Strukturen in den Kliniken. Sie können ein Trainigsweltmeister sein, aber wenn man nicht die Chance erhält, am Wettkampf teilzunehmen, nützt einem dies überhaupt nichts. Die Verlagerung der technisch-operativen Lernkurve vor den OP kann nur supportiv sein.

Ich persönlich finde „Training and learning on the Job“ nicht so problematisch. Es muss nur richtig strukturiert und nach modernen didaktischen Prinzipien durchgeführt werden. Vom Einfachen zum Komplizierten. Vom Leichten zum Schweren. Step by step. Kontinuierliche Supervision. Natürlich ist dies zeit-, kosten- und kraftaufwändig, aber es wird sich lohnen. Und zwar für alle Beteiligten. Dieser Reifeprozess muss bei den Protagonisten in den ökonomischen wie ärztlichen Direktoraten der Kliniken, der Krankenkassen und der Bundes- und Landesärztekammern aber auch bei unseren Patienten aktiv angestoßen werden. Die Einführung eines klinischen Risikomanagements der chirurgischen Weiterbildung vermag die wirtschaftlichen wie medizinischen Risiken für Patient und Klinik reduzieren helfen. Hier zeigt sich die wahre Effizienz und Ökonomie.

Das Fundament der medizinischen Versorgungsqualität stellt die ärztliche wie pflegerische Aus- und Weiterbildung dar. Wollen wir diese sichern, müssen wir investieren. Aber nicht nach dem Gießkannenprinzip. Die Ausbildung (Universitäten) muss modernisiert und gestrafft werden. Der All-Inclusive Mediziner, der immer noch versucht wird an den Universitäten zu generieren, ist nicht nur illusorisch, sondern auch völlig am Bedarf vorbei gedacht. Er bindet unnötig finanzielle wie personelle Ressourcen. Hier beginnt die Effizienz und Ökonomie und verlangt einen Paradigmenwechsel.

Wir benötigen weiterhin eine strukturierte moderne Weiterbildung orientierend an didaktischen Grundprinzipien. Die Einbeziehung neuer Medien bei der Wissens- und Fertigkeitenvermittlung sind wichtig und richtig, ersetzt aber nicht die weitere strukturierte Qualifizierung der Mitarbeiter an der Mutterklinik und am Patienten. Diese „Neuen Medien“ können und sollten nur ein Baustein im Portfolio der chirurgischen Weiterbildung sein. Sie dürfen nicht überschätzt und überfordert werden. Und ob diese wirklich effizient sind, wird zu beweisen sein.

Wir benötigen vielmehr einen Weiterbildungsoberarzt, der das chirurgische Weiterbildungsmanagement beherrscht und an seiner Klinik durchsetzt. Er ist Koordinator, Ansprechpartner und Mentor der chirurgischen Weiterbildung.

Jeder Copilot hat sein Kapitän, jeder Schiffskapitän hat seinen 1. Offizier und so braucht auch jeder Operateur seinen Lehrer.

Lassen Sie uns die dafür notwendigen Organisationsformen und Strukturen an den Kliniken etablieren und nicht durch den Wegfall von Visiten, Indikations- und Röntgenkonferenzen.

Wir Chirurgen sind Dienstleister am Patienten und nicht am Simulator oder im Skill Lab!

Nicht alle können Chefärzte sein!
Nicht alle können Oberärzte werden!
Aber jeder war einmal Arzt in Weiterbildung!

Jeder leitende Arzt, ja jeder Chirurg hat auch aus eigenem Interesse heraus, sich um den Nachwuchs zu kümmern. All das, was ein Chirurg kann und leider auch nicht kann, hat er seinen Lehrern zu verdanken! Dies hat wenig mit Effizienz und Ökonomie, sondern eher mit persönlichem Engagement zu tun.

Ihr
Dr. M. Krüger MA

 

Literatur

[1] Hagl C. Chirurgische Weiterbildung zwischen Effizienz und Ökonomie. Passion Chirurgie. 2011 Oktober; 1(10): Artikel 02_03

[2] Heil, A.; Schwandt, M.; Schöffski, O.: Darstellung ärztlicher Weiterbildungskosten im Krankenhaus. Schriftenreihe zur Gesundheitsökonomie 16, HERZ, Burgdorf, 2009.

Krüger M. Kommentar zum Artikel von Dr. Cornelia Hagl. Passion Chirurgie. 2012 Januar; 2(1): Artikel 02_08.

Autor des Artikels

Profilbild von Krüger

Dr. med. Matthias Krüger

Leiter des Ressorts Zukunft, Ökonomie und Digitalisierung in der ChirurgieGesundheitsökonom, klinischer Risikomanager(DIOcert)ZB Proktologie/NotfallmedizinUnseburger Straße 739122Magdeburg kontaktieren

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