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Ein entscheidender Baustein in der Niederlassung ist eine hoch effiziente und leistungsfähige IT und EDV. Allein das derzeit letzte Digitalisierungsgesetz, das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG), bringt eine Fülle von digitalen Neuerungen in das Gesundheitswesen und damit auch in die Arztpraxis, denen Sie sich in der Niederlassung nicht entziehen können.

Gehen wir mal davon aus Sie haben sich eigentlich schon für eine Niederlassung entschieden, sind sich aber noch nicht sicher und möchten nun wissen, was da kostenmäßig und organisatorisch auf Sie zukommt, dann sind IT, EDV, Apps und Digitalisierung ein sehr wichtiger Teil. Mit Einführung des E-Health-Gesetzes, welches am 29. Dezember 2015 in Kraft getreten ist, soll die Einführung einer digitalen Informations- und Kommunikationsstruktur im Gesundheitswesen vorangetrieben werden.

Diese unvollständige Auflistung der wichtigsten Neuerungen in Tabelle 1 macht klar, ohne IT und EDV geht nichts mehr. Weiteres wird mit Sicherheit folgen! Also müssen wir uns zunächst mit dem passenden Praxisverwaltungssystem (PVS) befassen. Dieses Programm ist das digitale Fundament Ihrer Praxis. Ohne dieses läuft gar nichts. Also brauchen wir eine Software, welche zukunftsfähig ist, d. h. alle Tools, PC, Tablet, Smartphone unterstützt, an die ich alle möglichen Geräte wie Röntgen, Sonographie, EKG, EEG, Labor, OP und auch Großgeräte wie MRT und CT anbinden kann, die mir in der Zukunft die Sektorengrenzen überbrückt und über eine HL7/FHIR-Schnittstelle auch mit einem Krankenhausinformationssystem (KIS) kommunizieren kann. Wir sprechen hier von der Interoperabilität der Systeme. Ihr PVS-System muss zudem verschiedene Fachdisziplinen bedienen können, das macht diese auch in MVZs oder Berufsausübungsgemeinschaften (BAGs) nutzbar. Die PVS muss von der KBV zertifiziert sein. Eine aktuelle Liste der zertifizierten PVS-Systeme finden Sie auf der Homepage der KBV.

Tabelle 1: Einführung digitaler Informations- und Kommunikationsstrukturen [1] [2]

1.4.2017

Vergütung von Telekonsilen bei Röntgenuntersuchungen

1.4.2017

Finanzielle Förderung von Videosprechstunden

1.1.2018

Medikationsplan in elektronischer Form

1.7.2018

Online-Datenabgleich und Prüfung der Versichertenstammdaten verpflichtet

1.7.2020

Elektronischer Arztbrief (eArztbrief)

1.7.2021

Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) in den Praxen

1.1.2022

Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) in den Krankenhäusern

Die Auswahl der PVS bedingt gleichzeitig die Auswahl eines geeigneten IT-Server und der geeigneten Hardware. Welcher PC, welches Tablet, welcher Server, welcher Drucker etc. und wie organisiere ich jetzt die notwendige Telematikinfrastruktur. Die Implementierung der Telematikinfrastruktur ist sehr kompliziert und bedarf der Fachberatung. Sie benötigen den Heilberufe Ausweis (HBA2) neuster Generation, noch benötigen Sie einen Konnektor, Kartenleseterminals der neusten Generation und SMC-B (Security Module Card Typ B) auch Praxisausweis genannt. Einen guten Überblick finden Sie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg. Sie haben Ihr PVS ausgesucht, die Telematik ist implementiert? Haben Sie auch an die weiteren Softwarekomponenten gedacht? Sie benötigen weitere Programme, um Ihr digitales Röntgen zu betreiben, Dokumente und Bilder zu speichern und Sie müssen eine KIM-Dienst (Kommunikation im Medizinwesen) aussuchen, um mit den verschiedenen Playern des Gesundheitswesens elektronisch kommunizieren zu können bzw. zu dürfen.

Bitte denken Sie auch an die IT-Sicherheit. Seit dem 01.04.2021 ist die gültige IT-Sicherheitsrichtlinie § 75b SGB 5 zur Sicherung von Praxis- und Patientendaten in Kraft. Hier werden hohe Sicherheitsstandards angelegt. Genaue Informationen finden Sie bei der KBV. Für die Einhaltung der Richtlinie sind Sie als Praxisbetreiber verantwortlich und Sie haften auch. Weiteres ist auch in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt. Zunehmend geraten auch Gesundheitseinrichtungen und damit auch Arztpraxen in das Visier des Cybercrime. Was eine erfolgreiche Cyberattacke für eine Praxis bedeuten kann verdeutlicht dieses Schaubild. Aber auch Ihr IT-Haus muss in der Zukunft gemäß der Sicherheitsrichtlinie SGB 5 § 75b von der KBV zertifiziert sein.

Sie haben diese Hürden genommen, jetzt wissen Sie was Sie brauchen und wollen. Und die Kosten? Billig wird das nicht. Für eine chirurgische/orthopädische Einzelpraxis dürfen Sie für die Erstinstallation einer IT/EDV mit Hardware einen mittleren bis höheren fünfstelligen Betrag einplanen. Hinzukommen diverse monatliche Lizenzgebühren, sowie Personalqualifizierungsmaßnahmen. Sie benötigen eine Cyberversicherung, eine Technik-/IT-/EDV-Versicherung und eine Praxisausfallversicherung. Jede einzelne Versicherung schlägt mit 2.000 bis 3.000 Euro im Jahr zu buche.

Abb.1: Kostenpositionen bei einem IT-Ausfall/-Schaden

Quelle: Dahl A: Cyberrisiken – Wie groß ist die Bedrohung und welche Absicherungskonzepte gibt es? Passion Chirurgie. 2018 September, 8(09): Artikel 04_04. https://www.bdc.de/cyberrisiken-wie-gross-ist-die-bedrohung-und-welche-absicherungskonzepte-gibt-es/

Anlässlich eines Vortrages beim Kongress der Deutschen Chirurgie in Berlin 2017 hatte ich die Kosten zusammengerechnet und kam für eine chirurgisch-orthopädische Einzelpraxis mit D-Arztzulassung und eigenem OP, auf einen jährlichen Betrag mit Tilgungsraten für IT/EDV, Lizenzgebühren, Versicherungen und monatliche Servicepauschalen an das IT-Haus, auf fast 25.000 Euro. In einer BAG oder einem MVZ verteilen sich die Kosten auf mehrere Schultern und relativieren sich dann. Zur Umsetzung der DSGVO mussten Praxen 2018 im Schnitt insgesamt 2.487 Euro für Maßnahmen aufwenden. 2019 sind diese Aufwendungen um rund 18 Prozent auf 2.932 Euro gestiegen. Insgesamt schlugen die Kosten für IT in allen Praxisformen 2019 mit rund 6.000 Euro pro Jahr für Facharztpraxen mit rund 7.000 Euro pro Jahr zu Buche. Die Steigerung betrug 60 Prozent gegenüber 2017. Für das Terminmanagement sind den Praxen – vor allem mit den Regelungen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) seit Mai 2019 – Aufwendungen von 885 Euro entstanden. [3]

Die DSGVO fordert für größere Einrichtungen ab 20 Mitarbeiter mit Zugang zur IT, Datenschutzbeauftragte. Für Datenschutzbeauftragte sind Aufwendungen von im Durchschnitt EUR 1.591 für externe Datenschutzbeauftragte oder Fort- und Weiterbildungen der internen Datenschutzbeauftragten angefallen. Die Aufwendungen betrafen Haus- und Facharztpraxen mit ca. 1.806 Euro. [3]   Weitere Kosten werden im Rahmen weiterer Digitalisierungsprozesse und Gesetze folgen.

Zusammenfassend ist dies für eine chirurgische Einzelpraxis nur noch sehr schwer zu leisten. Wenn Sie immer noch mit dem Gedanken spielen sich niederlassen zu wollen, dann ist die BAG oder das MVZ zu empfehlen, da die IT-/EDV-Kosten nicht die einzigen Kosten sind. Hinzu kommen stark steigende Personalkosten von ca. 18 Prozent in den letzten drei Jahren, steigende Hygienekosten und steigende Sach- und Materialkosten usw.. Die Ertragssteigerungen in der GKV von Seiten der KV decken nicht mal mehr die Inflationsrate, das Gezerre um eine GOÄ und die ewige, immer enger werdende Diskussion um eine Bürgerversicherung sind auch nicht gerade motivierend. Aber Niederlassung bedeutet ja nicht gleich Selbständigkeit!

Literatur

[1]   www.bundesgesundheitsministerium.de/e-health-initiative.html
[2]   www.kbv.de/html/e-health.php
[3]   Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) 2020

Farghal, D: EDV, Apps, IT… in der Arztpraxis. Passion Chirurgie. 2022 Januar/Februar; 12(01/02): Artikel 03_02.

Autor des Artikels

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Dirk Farghal

Stellv. Leiter Themen-Referat Niedergelassene im BDCLeiter der Arbeitsgemeinschaft Beleg- und Kooperationsärzte im BDCChirurgische Praxis am HauptbahnhofBahnhofsplatz 997424Schweinfurt kontaktieren

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