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Das Krankenhaus heute entwickelt sich zu einem Digitalen Krankenhaus. Dieses wird heute als Krankenhaus 4.0, Lean Hospital oder Smart Hospital bezeichnet. Der soziodemografische Wandel, die Ökonomisierung der Medizin, die immer kürzer werdenden Gesundheitsreformen, der Fachkräftemangel und auch der medizinisch-technische Fortschritt führen dazu, dass das Thema Wandel im „Ökosystem“ Krankenhaus immer wichtiger wird. Das Krankenhaus befindet sich heute in einer extrem dynamischen Umwelt, bei der die digitale Transformation eine entscheidende Rolle spielt [1]. Eine zeitgerechte und an die Bedürfnisse der Patienten angepasste Gesundheitsversorgung kann durch sektorenübergreifende und vernetzte Strukturen unterstützt werden. Das Konzept des Smart Hospitals setzt hier an und schafft durchgängige digitale sektorenübergreifende Prozesse, in welche das Krankenhaus der Zukunft als digitale Steuerungseinheit eine wichtige Funktion einnimmt.

Digital Health-Anwendungen ermöglichen Krankenhäusern, ihre Souveränität zu fördern und die Versorgung auf ein neues Level zu heben. Um das Potenzial der Digitalisierung optimal zu nutzen, müssen Strukturen und Prozesse nicht einfach nur digitalisiert, sondern komplett neu geordnet werden. Die Prozesse sind nur dann „smart“, wenn die Möglichkeiten der Digitalisierung und somit der Vernetzung vollumfänglich im Patienteninteresse genutzt werden und Systeme miteinander kommunizieren. Daten über Behandlungsverläufe, diagnostische Ergebnisse und Therapien müssen disziplin- und standortübergreifend digital miteinander vernetzt werden. Das Smart Hospital beinhaltet somit die Vision und gleichzeitig das Ziel einer zeitgerechten, auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmten Gesundheitsversorgung, welche durch eine digitale Transformation, Vernetzung und den strukturierten Datenaustausch realisiert wird. Daraus lässt sich ableiten, dass das Smart Hospital ein komplexes Innovationsfeld der Anwendung von 4.0-Technologien mit neuen Anforderungen in der klinischen Versorgung darstellt. Ein exzellentes Beispiel hierfür ist die Universitätsmedizin Essen (UME).

Die UME gilt als Vorreiter auf dem Gebiet Smart Hospital in Deutschland und weist mehr als 29 Teilprojekte aus, die punktuell in dem vorliegenden Beitrag skizziert werden [2]. Hierfür ist eine innovative Orchestrierung des Zusammenspiels zwischen Patienten und Angehörigen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, also ärztlichem, therapeutischem, pflegerischem und administrativem Personal notwendig. Es geht nicht nur darum zu definieren, wie die Interaktion zwischen Mensch und Maschine im Kontext Krankenhaus künftig ausgestaltet sein soll, sondern viel mehr wie innovative Neuerungen für beide Seiten genutzt werden können, um einerseits Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten und vor allem, um Patienten und Angehörige in den Mittelpunkt zu stellen. Die Krankheitsgeschichte als solches und das reibungslose Zusammenspiel zwischen Spitzenmedizin basierend auf lückenloser Kenntnis der Patientendaten und der Integration von wissenschaftlichen Erkenntnissen bezüglich neuester Therapieformen bis hin zur personalisierten Medizin bilden die Basis für das Konzept.

Die Universitätsmedizin Essen sieht die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie mit dem Konzept Smart Hospital als eine ihrer wichtigsten strategischen Ausrichtungen in den letzten drei Jahren, wobei hierzu nicht nur die konsequente Umsetzung der digitalen Transformation, die Neugestaltung der Prozesse, sondern auch die fortlaufende Testung und Beurteilung von verfügbaren technischen Neuerungen wichtig sind. Zentrale Grundlage für alle Entscheidungen ist hierbei selbstverständlich der Datenschutz: Dem Schutz der Gesundheitsdaten der Patientinnen und Patienten gilt höchste Priorität und gleichzeitig müssen gesetzliche Vorgaben wie beispielweise das Medizinproduktegesetz (bezüglich Nutzung von Software) oder im Rahmen des IT-Sicherheitsgesetzes der Schutz von kritischen Infrastrukturen vollumfänglich erfüllt werden. Im Folgenden werden konkrete Beispiele skizziert, die einen Überblick über den Stand des Smart Hospitals in Essen geben.

Beispiele für das Smart Hospital

Im Folgenden wird ein kurzer Statusbericht zum Smart Hospital gegeben und es wird auf ausgewählte Projekte hingewiesen. Derzeit gibt es insbesondere die nachfolgenden Projekte, die wie folgt aufgelistet werden:

  • Lenkungsgruppe Smart Hospital (> 30 Einzelprojekte – gesteuert durch Digital Change Management)
  • Elektronische Patientenakte (ePA)
  • DIGITAL UNTERSTÜTZTE ZNA (seit 2018)
  • Institut für PatientenErleben
  • DataTrust Center/Kooperation Health Bank
  • Institut für digitale Innovation in Medizin und Medizinmarkt
  • Institut für KI in der Medizin (vier Berufungsverfahren für W3-Professuren)
  • Ethik-Ellipse Smart Hospital
  • Diskussion um Studium Digitale Pflege (zusammen mit FOM Hochschule)
  • u.v.m.

Im Folgenden wird auf die elektronische Patientenakte, den Da-Vinci-Roboter und die Digitale Radiologie im Einzelnen eingegangen.

Elektronische Patientenakte

Ein wesentlicher Bestandteil der Digitalisierung im Krankenhaus ist die elektronische Patientenakte (ePA), in der alle relevanten Patienteninformationen wie Bilddaten, Diagnosen oder Medikationen digital gespeichert und abrufbar sind. Innerhalb und außerhalb einer Klinik ist somit die optimale Patientenbehandlung gewährleistet. Zusätzlich sollen Doppeluntersuchungen vermieden und die Behandlungsqualität und -sicherheit gesteigert werden. Somit stellt die konsequente Einführung und Durchführung einer standardisierten Kommunikation mit Hilfe der ePA ein zentrales Merkmal für die Prozesse und Effektivitätssteigerung durch das neue digitale Gesundheitsnetzwerk dar. Die Universitätsmedizin Essen hat die Einführung und Nutzung der ePA an allen ihren Standorten zum Herzstück des Projektes Smart Hospital gemacht.

Denn eine Patientenakte aus Papier hat einige Nachteile: Sie muss von A nach B transportiert werden, die Daten in ihr sind nicht strukturiert, man kann vielleicht die Schrift nicht lesen oder diese kann schlicht verloren gehen. An der UME ist dies Geschichte. Patientendaten werden im gleichen Krankenhausinformationssystem, Archivsystem und mit einheitlicher ePA gemäß einem Mandantenkonzept für die einzelnen Standorte (z. B. Ruhrlandklinik) digital gespeichert. Dabei umfasst diese digitale Akte deutlich mehr Informationen als die Papierakte von der Anamnese bis zur Fieberkurve des Patienten. Verfügbare Bilddaten können ebenso wie Medikationsdaten inklusive möglicher Wechselwirkungen im zeitlichen Verlauf analysiert werden, wodurch gerade bei komplizierteren Fällen sich erhebliche Vorteile in der umfassenden Patientenbetreuung – mitunter durch Personal von mehreren Standorten – zeigen. Als nächster Schritt wird derzeit der Einsatz und die Nutzungsmöglichkeiten der ePA auf mobilen Endgeräte wie Smartphones und Tablets geprüft.

Neben dieser eher logistischen Betrachtung geht der Nutzen der elektronischen Patientenakten aber auch in Richtung der Verbesserung der Möglichkeiten in der Versorgungsforschung und Versorgungsrealität. So können künftig auf Basis von großen Datenmengen (sog. Routinedaten oder neudeutsch Big Data) wichtige Rückschlüsse gezogen werden. Voraussetzung hierfür ist die Kompatibilität von Daten, eine einheitliche Datenstruktur und die Schaffung und Nutzung von integrierten Daten. Nur so können auch Anwendungen aus dem Bereich Machine Learning und künstlicher Intelligenz entwickelt, validiert, getestet und später eingesetzt werden. Auch hier ist die UME an Spitzenforschung beteiligt.

Da-Vinci-Roboter

Der Da-Vinci-Roboter wurde damals im Krieg entwickelt, da es zu gefährlich war, die Ärzte zu den verwundeten Soldaten an der Front zu schicken. Damals gab es allerdings einen Zeitverzug in der telemedizinischen Versorgung. Während das Blut des Patienten bereits spritzte, wurde dies erst zeitverzögert auf dem Monitor des Operateurs übertragen, mit der Folge, dass einige der verwundeten Soldaten dennoch starben. Die Technologie war zu der Zeit noch nicht ausgereift genug. Heute gehört der Da-Vinci-Roboter zum Repertoire der Universitätsmedizin Essen und vieler anderer Krankenhäuser. Er operiert allerdings nicht alleine, sondern die vier Roboterarme werden durch einen Chirurgen im Nachbarraum gesteuert. Einer der Arme macht Videoaufnahmen, die anderen drei Arme führen die OP-Instrumente. Mithilfe des Roboters kann minimalinvasiv operiert werden. Ein Vorteil ist hierbei die Ermüdungsfreiheit der Technik: die Arme des Roboters zittern auch nach stundenlanger OP nicht und werden auch nicht müde. Um die Führungskonsole zu bedienen ist eine zeitintensive Schulung notwendig: Ärztinnen und Ärzte werden im Vorfeld ca. ein Jahr lang geschult. Der Aufwand lohnt sich allerdings, da aufgrund der physischen Entlastung der Chirurgen und der höheren Präzision des Roboters der Nutzen für Patientinnen und Patienten als auch für das Personal nachweisbar ist. Dies ist ein weiteres Beispiel für die digitale Transformation.

Digitale Radiologie

Gerade die digitale Transformation der Radiologie ist ein gutes Beispiel für die Möglichkeiten des Smart Hospital. Digitale Bildspeicherung in radiologischen Informationssystemen (Picture Archiving and Communication System PACS) gibt es bereits seit vielen Jahren. Sie beinhaltet nicht nur die rasche Verfügbarkeit von Aufnahmen (inklusive Voraufnahmen mit klarer zeitlicher Historie) eines einzelnen Patienten, sondern auch die Möglichkeiten der Datenauswertung und Entwicklung von neuen Algorithmen zur Unterstützung des Personals. Es leuchtet ein, dass ein Arzt, der nur wenige Sekunden hat, um eine einzelne Schichtaufnahme eines Computertomogramms (CT) oder Kernspintomogramms (MRT) anzuschauen rascher etwas übersehen kann, als dies bei einer maschinellen Auswertung unter radiologischer Kontrolle geschieht. Die Entwicklung dieser Algorithmen basiert auf tausenden von Bilddaten, deren Bedeutung zweifelsfrei gesichert ist: Die Maschine lernt mittels bekannter Diagnosen, wie die Bilddaten interpretiert werden können, wodurch die Diagnostik maßgeblich unterstützt werden kann. Aber auch Auswertungen von Krankheitsverläufen im Sinne der automatischen Ausmessung von Befunden und deren Vergleich im Zeitintervall wird deutlich schneller durch einen Computeralgorithmus produziert als durch ein manuelles Ausmessen auf einzelnen Schichten. Ein Anwendungsbeispiel sind Kontrolluntersuchungen in der Onkologie, deren Auswertung dann durch den radiologischen ärztlichen Dienst kontrolliert und freigegeben wird. Studien zeigen die größere Genauigkeit bei verkürztem Zeitaufwand, sodass der ärztliche Dienst eine erheblich größere Anzahl von Befundungen im Zeitintervall durchführen kann. Voraussetzung hierfür ist die Entwicklung des Machine Learning Process mit meist mehreren hunderttausend Bildern, um eine hohe diagnostische Genauigkeit zu etablieren [3].

Kritische Diskussion

Die digitale Transformation des Krankenhauses als Smart Hospital stellt auch die Organisation im Allgemeinen und das Berufsbild des ärztlichen Dienstes im Besonderen vor enorme Veränderungen. Ausbildungsinhalte und berufliche Anforderungen unterliegen einem stetigen Wandel.

Das Smart Hospital befindet sich in einem ständigen Wandel. Hier sind nicht nur die vorgestellten einzelnen Prozesse wichtig, sondern vor allem das Thema Bildung, damit die Digitalisierung von dem strategischen Ansatz her bis in die kleinste Organisationseinheit hinein diffundiert. Dem Thema Corporate Education kommt in Zukunft eine viel größere Bedeutung zu und so auch dem Thema der interprofessionellen Ausbildung, wie mit dem Beispiel Digitale Pflege aufgezeigt wurde.

Neben den neuen Möglichkeiten in der Diagnostik und Therapie fallen einerseits bislang getätigte Aufgaben weg, während andererseits neue Aufgaben hinzukommen. Auch die Arzt-Patienten Beziehung verändert sich, da der Arzt/die Ärztin zunehmend gut informierten Patienten gegenübersteht [4]. Neben der Veränderung der klassischen Rollenbilder wird es in Zukunft sicherlich auch neue Berufsbilder, wie bereits jetzt den Physician Assistant oder den Case Manager, geben. Ebenfalls sind Arzt-Assistenten, die als Daten-Manager den digitalen Prozess rund um den ärztlichen, therapeutischen oder pflegerischen Dienst begleiten möglich.

Ausblick

Die strategische Ausrichtung und Umsetzung der digitalen Transformation zum Smart Hospital ist eine wichtige Entscheidung für die Universitätsmedizin Essen geworden, welche mittlerweile einige Jahre Erfahrung in diesem Gebiet beinhaltet. Trotzdem ist die Transformation noch nicht abgeschlossen, sondern das Smart Hospital UME steht erst am Anfang eines langen und intensiven Veränderungsprozesses.

Im Smart Hospital gewinnen IT-Infrastruktur, IT-Sicherheit und Datenschutz zunehmend an Bedeutung. Die Patientendaten und somit die digitale Krankheitsgeschichte stehen im Zentrum der Bemühungen – personalisierte Medizin kombiniert mit Interdisziplinarität und der Verknüpfung von Informationen vom stationären in den ambulanten Sektor sind von wesentlichem Interesse für den Patienten. Zudem können digitale Technologien Abläufe beschleunigen, Fehler reduzieren und auf Präzision fokussieren. Auf dem Weg zum Krankenhaus der Zukunft steht der Patient mit seinen Bedürfnissen im Fokus des digitalen Gesundheitsnetzwerks. Digitale Prozesse wirken auch für die Medizinerinnen und Mediziner als Unterstützung und Entlastung im Krankenhausalltag und sind eine große Chance für das ärztliche Berufsbild, das sich mit der Digitalisierung verändern wird [5].

Das Smart Hospital ist nie fertig und die Transformation ist zum Normalfall geworden. In Zukunft muss aus dem Smart Hospital sicher auch ein smartes Ökosystem werden, damit auch die anliegenden ambulanten Strukturen zu einem großen Ganzen zusammenwachsen – zum Wohle des Patienten.

Literatur

[1] Matusiewicz D, Pittelkau C, Elmer A (2017): Die Digitale Transformation im Gesundheitswesen, MWV-Verlag, 1. Auflage, Berlin, 2017.

[2] Kusch C, Matusiewicz D (2018): Digital Health – Auf dem Weg zum Smart Hospital, in: Health & Care Management (HCM), Ausgabe 4, 9. Jg., 2018, S. 46.

[3] Matusiewicz D, de Witte B (2019): Risikofaktor Mensch – Ist die Maschine der bessere Arzt? in: Oubaid V: Der Faktor Mensch – Personalmanagement und Patientensicherheit, MWV-Verlag 2019, S. 1-12.

[4] Matusiewicz D, Aulenkamp J, Werner J (2019): Effekte der digitalen Transformation des Krankenhauses auf den Wandel des Berufsbildes Arzt, in: n: Klauber J, Geraedts M, Friedrich J, Wasem J: Krankenhausreport 2019 das digitale Krankenhaus, Springer, 2019.

[5] Matusiewicz D, Diehl A (2019): Smart Hospital – Stand zur digitalen Transformation der Universitätsmedizin Essen, in: Stoffers C, Krämer N, Heitmann C: Digitale Transformation im Krankenhaus, 1. Auflage, 2019, 46-52.

Über den Autor

David Matusiewicz ist Professor für Medizinmanagement an der FOM Hochschule – der größten Privathochschule in Deutschland. Seit 2015 verantwortet er als Dekan den Hochschulbereich Gesundheit & Soziales und leitet als Direktor das Forschungsinstitut für Gesundheit & Soziales (ifgs). Darüber hinaus ist er Gründungsgesellschafter des Essener Forschungsinstituts für Medizinmanagement (EsFoMed GmbH) und unterstützt als Gründer bzw. Business Angel technologie-getriebene Start-ups im Gesundheitswesen. Berufserfahrung sammelte Matusiewicz bis 2017 zudem in der Stabsstelle Leistungscontrolling in der Gesetzlichen Krankenversicherung (Betriebskrankenkasse u.a. von Thyssen Krupp). Er ist zudem Gründer der Digital Health Academy mit Sitz in Berlin und des Medienformats Digi Health Talk.

Matusiewicz D: Digitales Krankenhaus – ständiger Wandel ist zum Normalfall geworden. Passion Chirurgie. 2019 November, 9(11): Artikel 03_01.

Autor des Artikels

Profilbild von David Matusiewicz

Prof. Dr. David Matusiewicz

Dekan und Institutsdirektor für den Bereich Gesundheit & Soziales an der FOM Hochschule kontaktieren

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