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Interview: Als Assistenzarzt im Mastertrainer-Programm

Die Qualität der Weiterbildung – ein wichtiges und oft besprochenes Thema. Ein Thema, das vor allem von Weiterbildern selbst bearbeitet wird. Daher hat der BDC gemeinsam mit anderen Verbänden das Mastertrainer-Programm für Weiterbilder ins Leben gerufen. Wie wird dieses Programm aber von jungen Chirurginnen und Chirurgen wahrgenommen und eingeschätzt? Dr. med. univ. Christian Bischof ist einer der wenigen Assistenzärzte, die ebenfalls an dem Programm teilnehmen. Studium, Promotion, Forschung, PJ, Weiterbildung und dann Facharzt. Ein Weg, den Christian Bischof eingeschlagen hat. Früher oder später wird er Weiterbilder sein. Im Gespräch mit ihm erzählt er von seinen eigenen Weiterbildungserfahrungen und warum es wichtig ist, auch Assistenzärzte beim Mastertrainer dabeizuhaben.

Mehr Informationen zum Mastertrainer-Programm finden Sie HIER.

PASSION CHIRURGIE: Nach welchen Kriterien haben Sie sich Ihr Weiterbildungshaus ausgewählt?

Dr. Bischof: Ich habe einen Arbeitgeber gewählt, bei dem ich meine Arbeit mit meinem Familienleben vernünftig kombinieren kann. Beruf und Familie an der Uniklinik unter einen Hut zu bekommen ist definitiv schwieriger – das ist kein Geheimnis und habe ich selber auch erlebt. Es gab einige Gründe für mich, nach Ludwigsburg zu Herrn PD Dr. med. Gahlen zu gehen: Dr. Gahlen ist eine feste Größe in der „Szene“ und von einer ehemaligen Kollegin wusste ich, dass die Weiterbildung zum Facharzt an seiner Klinik tatsächlich in sechs Jahren zu schaffen sei. Ein wichtiger Punkt war natürlich auch, dass die Klinik nahe meiner alten Heimat und meiner Familie liegt. Wie sagte meine Kollegin doch treffend: „Die Stelle ist die Lösung all deiner Probleme“. Insgesamt war es an dieser Klinik tatsächlich wesentlich einfacher, den Spagat zwischen Familie und Weiterbildung zu schaffen.

PC: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war also Ihr Hauptkriterium. Gab es noch andere Gründe, warum Sie andere Kliniken „abgewählt“ haben?

CB: Ich habe mich natürlich an mehreren Kliniken beworben – vor allem in Bayern. Ich habe ganz klar nach einem Arbeitgeber gesucht, der mir wenigstens halbwegs eine Zusage zur Einhaltung der Weiterbildungszeiten geben konnte. Meiner Meinung nach, ist die Einhaltung der Weiterbildungszeit von sechs Jahren nur dann möglich, wenn ein strukturiertes Weiterbildungskonzept verfolgt wird. Leider ist dies an manchen Unikliniken, an denen man erst nach einigen Jahren ein gewisses Standing hat und sich die Weiterbildung erst durch Wissenschaft verdienen musste, nicht immer der Fall. Insofern habe ich einen großen Maximalversorger gesucht, ohne den Druck, Wissenschaft in der Freizeit zu machen.

PC: Was ist in Ihren Augen das Schlimmste, was in der Weiterbildung schiefgehen kann?


CB: Ungerechtigkeit! Ich finde, es sollte immer gerecht verteilt sein, wer welche Eingriffe bekommt. Für Assistenzärzte sollte immer transparent nachzuvollziehen sein, wer von den Kolleginnen und Kollegen wann welche OPs durchführen kann. Das habe ich schon oft anders erlebt.

PC: Beim Mastertrainer-Programm werden genau diese angesprochenen Kriterien besprochen und wie sie in der Praxis am besten umgesetzt werden können. Wie haben Sie vom Mastertrainer-Programm erfahren?

CB: Bevor ich in Ludwigsburg angefangen habe zu arbeiten, kannte ich das Mastertrainer-Programm nicht. Mein Chefarzt, Dr. Gehlen, hat selber an dem Programm teilgenommen und möchte, dass immer jeweils ein Glied aus der „Weiterbildungskette“ ebenfalls an dem Kurs teilnimmt. Ich war, glaube ich, einer der ersten Ärzte in Weiterbildung, der beim Mastertrainer dabei war. Zwischen all den Ober- und Chefärzten habe ich mich auch etwas fremd gefühlt – nach dem Motto „Die reden die ganze Zeit über mich“. Ich war bei dem Kurs sozusagen „die Stimme“ der Assistenzärzte und alle waren sehr interessiert an meiner Sichtweise auf die Weiterbildung. Es war also sehr gut, dass mein Chef mich zum Mastertrainer-Programm geschickt hat.

Ich finde, dass generell mehr Assistenzärzte an dem Programm teilnehmen sollten, was von den Veranstaltern durchaus erwünscht ist. Denn wir können das Prinzip auf unsere PJler übertragen und so auch gleichzeitig guten Nachwuchs akquirieren, was auch zunehmend schwieriger wird. Meiner Meinung nach sollte das Mastertrainer-Programm sogar Teil der Facharztweiterbildung sein, denn eigentlich sollten Fachärzte schon bevor sie Weiterbilder sind, die Basics gelernt haben.

Zudem ist der rechtliche Aspekt nicht zu vernachlässigen. In Zukunft könnten Richter im Schadensfall nach der Art der Weiterbildung und deren Überprüfung fragen: Wurde der Assistenzarzt überhaupt lege artis ausgebildet oder konnte er bei mangelhafter Weiterbildung den Anforderungen gar nicht gerecht werden.

PC: Was hat sich seit dem Kurs bei der Weiterbildung in Ihrem Haus verändert?


CB: Das Prinzip, das im Mastertrainer-Programm vermittelt wird, beinhaltet, dass nicht nur die Weiterbilder bestimmen, welche Inhalte im jeweiligen Kerncurriculum sein sollen, sondern auch, dass die Ärzte in Weiterbildung die Inhalte mitgestalten und ein Mitspracherecht haben. In unserer Klinik haben wir in mehreren Sitzungen fast ein Jahr lang ein Kerncurriculum entwickelt. Dabei haben die Assistenten klar gesagt, was für sie wichtig ist und unter Berücksichtigung der Vorgaben der Ärztekammern haben wir dann ein Konzept entwickelt.

Wir sind schon sehr weit gekommen bei uns in der Klinik, aber uns ist auch klar, dass die Weiterbildung nicht statisch ist und immer weiterentwickelt werden wird. Viel wichtiger ist aber noch, dass alle in der Klinik versuchen, damit zu arbeiten, dass unser Curriculum nicht wieder „einschläft“. Das merke ich auch an mir selber! Man neigt dazu, in alte Muster zurückzufallen und es ist für alle Beteiligten ein Stück Arbeit, dass das eben nicht passiert.

PC: Wie haben Sie das „Projekt Weiterbildung“ genau organisiert und welche Probleme gab es?

CB: Es gab alle Vierteljahre ein Treffen mit möglichst allen Assistenzärzten, Fach- und Oberärzten und dem Chefarzt. Das war wegen der Dienste natürlich relativ schwierig umzusetzen, aber wenn es alle wollen, lässt es sich auch einigermaßen umsetzen. Sodass wir jetzt gemeinsam ein rundes, abgestimmtes Konzept erarbeitet haben. Dabei werden ganz klar die Kernkompetenzen in den Vordergrund gestellt, auch dazugehörige Zeiträume wurden abgesteckt und natürlich auch Lernzielkontrollen eingeführt, ohne die Weiterbildung wenig Sinn ergibt.

Es gab zum Teil auch Reibungsflächen zwischen Weiterbildern und Weiterzubildenden. Das ist im Rahmen eines solchen Prozesses aber auch ganz normal. Aber wir Assistenzärzte haben natürlich versucht, so viele, für uns wichtige Aspekte, wie möglich in die Entwicklung einfließen zu lassen. Streit gab es auf keinen Fall. Es war ein sehr kollegiales, fast freundschaftliches, Diskutieren und Entwickeln. Eher im Gegenteil: Unser Konzept ist so gut angenommen, dass es unter Umständen in anderen Häusern der Holding übernommen werden soll. So war sogar mehrmals die ärztliche Direktion und die Personalabteilung bei unseren Treffen dabei. Natürlich ist allen klar, dass gute Weiterbildung Zeit und somit auch Geld kostet. Wenn alle Ärzte mit dem Tagesgeschäft ausgelastet sind, bleibt einfach keine Zeit, um sich ausreichend um die Belange der Assistenzärzte zu kümmern. Auch die Krankenhausleitung muss hier ihr Zutun leisten, damit die Weiterbildung funktionieren kann.

PC: Sie haben das Thema Lernzielkontrollen angesprochen. Wie läuft das bei Ihnen an der Klinik ab?

CB: Wir haben das so festgelegt, dass der Weiterzubildende sich an den Weiterbildenden wendet, wenn er sich bereit für die Lernzielkontrolle fühlt. Es gibt bei uns jedes Jahr eines dieser Testate, wobei wir den Fokus auf den Anfang und das Ende der Facharztausbildung legen. Im ersten Jahr wird vor allem die Dienstfähigkeit geprüft. Einige Schlüsseleingriffe werden im Zuge der ersten Lernzielkontrolle durchgeführt. Man muss die entsprechenden Eingriffe dann „voroperieren“. Wenn das gut funktioniert, kann man diese Eingriffe nach dem Testat mehr oder weniger frei operieren – ein Facharzt ist selbstverständlich immer dabei. Aber insgesamt geben einem die Testate eine gewisse Sicherheit für die Dienstfähigkeit. Ganz am Ende steht dann die Facharztreife im Zentrum der Lernzielkontrolle.

PC: Wenn Sie sich mit Bekannten und Freunden, die ebenfalls in der Weiterbildung stecken, austauschen, können Sie dabei einen Trend erkennen, in welche Richtung sich die Weiterbildung in Deutschland entwickelt?

CB: Gerade wenn ich mit Kollegen in Unikliniken sprechen, merke ich, dass es dort noch anders läuft. Sukzessive engagieren sich die Klinikleitungen aber auch dort für eine strukturierte Weiterbildung. Da gab es noch vor einigen Jahren deutliche Unterschiede, als man teilweise noch acht bis zehn Jahre für den Facharzt in der Uniklinik brauchte. Das ändert sich auf jeden Fall! An Unikliniken ist es aber zum Teil immer noch so, dass die Ärzte in Weiterbildung, die forschen, eher „gepusht“ werden. Und Forschung läuft nach wie vor in der Freizeit. Also jedenfalls kenne ich niemanden, der nicht in seiner Freizeit forschen muss – und das wird auch so vorausgesetzt. Meiner Meinung nach wäre ein Umdenken mit alternativen Konzepten nötig.

PC: Als Abschluss: Was würden Sie sich ganz besonders für kommende Ärzte zur Verbesserung ihrer Weiterbildung wünschen?

CB: In den kommenden Jahren werden überdurchschnittlich viele Frauen in diesen Beruf eintreten. Das wird zwangsläufig zu Schwierigkeiten in der Weiterbildung führen, denn es werden mehr und mehr Teilzeitpositionen besetzt werden. Natürlich wollen das auch immer mehr Männer. Es werden dringend neue Konzepte für Teilzeitarbeitende gebraucht, denn bei der heutigen Weiterbildungsordnung ist das sehr schwierig. Laut Ärztekammer bräuchte man mit einer 50-Prozent-Stelle 12 Jahre für den Facharzt und das ist einfach nicht zeitgemäß. Man sollte darüber nachdenken, dass es in diesen Fällen möglich ist, mithilfe eines strengen Curriculums und entsprechenden Lernzielkontrollen, zumindest teilweise die Weiterbildungszeit von den übrigen Anforderungen des Weiterbildungskatalogs zu entkoppeln. So wird es auch in anderen Ländern umgesetzt.

Das Interview führte Julia Weilbach, verantwortlich für Presse- & Öffentlichkeitsarbeit im BDC.

Bischof C: „Die reden die ganze Zeit über mich“. Passion Chirurgie. 2018 Dezember, 8(12): Artikel 04_09.

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Dr. med. Christian Bischof

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