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Die Qualitätsvorgaben des Krankenhaus-Strukturgesetzes (KHSG) werden viel zu langsam und halbherzig umgesetzt. Darauf hat der AOK-Bundesverband aus Anlass der Veröffentlichung des „Qualitätsmonitors 2019“ hingewiesen. „Der feste Wille zu einer Verbesserung der Versorgungsqualität ist in der aktuellen Krankenhaus-Gesetzgebung der Großen Koalition, aber auch in der Krankenhausplanung der Bundesländer nicht mehr erkennbar“, kritisierte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch. Er verwies insbesondere auf die schleppende Umsetzung von Mindestmengen und Qualitätsindikatoren für die Krankenhausplanung. „Die Fristen für die Umsetzung der planungsrelevanten Qualitätsindikatoren sollten mit einem KHSG II deutlich verkürzt und die Prozesse im Gemeinsamen Bundesausschuss beschleunigt werden“, forderte Litsch.

Es lägen genügend Informationen vor, bei denen die Länder ansetzen und die Behandlung der Patienten schnell durch entsprechende Vorgaben für ihre Kliniken verbessern könnten, betonte Litsch. So zeigt der Qualitätsmonitor Defizite bei der Versorgung von Frühgeborenen, für die derzeit eine viel zu geringe Mindestmenge von 14 Fällen pro Jahr gilt: „Jedes Jahr ohne ordentliche Mindestmenge hat in diesem sensiblen und komplexen Versorgungsbereich fatale Folgen für die betroffenen Kinder und ihre Eltern,“ sagte Litsch. Eine „Strategie der Verschleppung“ von Krankenhausvertretern und Ländern führe letztlich dazu, dass unnötig Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden. Ein gravierendes Dauerthema sei die „Gelegenheitschirurgie“ bei Krebs-Indikationen. „Zu viele Kliniken mit geringer Erfahrung wagen sich an komplexe Therapien und gefährden damit die Patientensicherheit“, so Litsch. Neu zu beobachten seien die mit großer Dynamik zunehmenden Herzklappen-OPs, deren Qualität sich mit stärker zentralisierten Strukturen erheblich verbessern ließe.

Schlechtere Überlebenschancen für Frühgeborene in Kliniken mit wenigen Fällen

„Für die kleinen Frühgeborenen ist die Studienlage eindeutig“, betonte Prof. Rainer Rossi, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Vivantes-Klinikums in Berlin-Neukölln. Internationale Untersuchungen belegten, dass in Kliniken mit höherer Fallzahl und besserer Ausstattung eine bessere Qualität erbracht werde. „Auch für Deutschland kann ein Zusammenhang von Fallzahlen und Qualitätsergebnissen nachgewiesen werden“, so Rossi. Eine im Qualitätsmonitor veröffentlichte Analyse auf Basis von AOK-Abrechnungsdaten zeige, dass Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 Gramm eine schlechtere Überlebenschance haben, wenn sie in Kliniken versorgt werden, die weniger als 34 Fälle pro Jahr vorweisen können. So liegt die Sterblichkeitsrate in diesen Krankenhäusern, in denen rund ein Fünftel aller Frühgeborenen betreut wird, etwa 50 Prozent höher als in Kliniken mit 91 oder mehr Fällen. Auffällig sei zudem der steigende Anteil von Frühgeburten in Deutschland: Die Anzahl der Frühgeburten habe zwischen 2008 und 2017 um 21 Prozent zugenommen. Besonders alarmierend sei, dass der Anteil der Frühgeburten an allen Geburten in Deutschland inzwischen mehr als doppelt so hoch liege wie in Schweden. „Es gilt nun, die Senkung der Frühgeborenen-Raten durch eine Strukturdiskussion für die Geburtshilfe ebenso anzugehen wie eine neue, höhere Mindestmenge für Frühgeborene festzulegen“, sagte Rossi, der auch Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) ist. Sinnvoll sei ein abgestuftes Versorgungskonzept: „Je komplikationsreicher eine Schwangerschaft, desto eher sollte die Versorgung im höchstqualifizierten Zentrum erfolgen“, so Rossi.

Mangelnde Zentralisierung bei Brustkrebs-OPs weiter ein Problem

Auf Defizite bei der Brustkrebs-Behandlung wies Jürgen Klauber, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) und Mitherausgeber des Qualitätsmonitors, hin: Ein Viertel der 781 behandelnden Kliniken hat 2016 maximal acht Brustkrebs-Operationen durchgeführt. Ein weiteres Viertel führte im Mittel 26 Operationen durch, was etwa einen Eingriff alle zwei Wochen bedeutet. In zertifizierten Zentren würden dagegen 100 Brustkrebs-OPs pro Jahr gefordert, so Klauber. „Eine eingespielte Prozesskette für solche Operationen kann es nur in Kliniken mit hohen Fallzahlen geben.“ Die Studienlage zeige, dass die Versorgung in einem Zentrum die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich erhöhe. Die Entwicklung der Versorgungssituation für die betroffenen Patientinnen sei „weiterhin nicht zufriedenstellend“, kritisierte Klauber. „Die Länder müssen ihre Verantwortung für die qualitätsorientierte Krankenhausplanung wahrnehmen, indem sie unmittelbar die notwendigen Fallzahlen und Strukturmerkmale vorgeben.“

Stärkere Zentralisierung auch bei Herzklappen-Implantationen sinnvoll

Eine stärkere Zentralisierung der Versorgung ist laut „Qualitätsmonitor 2019“ auch bei kathetergestützten Herzklappen-Implantationen, den sogenannten TAVIs, sinnvoll: Etwa 30 Prozent der 97 Kliniken, die diese Eingriffe 2016 durchführten, versorgten weniger als 100 Fälle pro Jahr. In Krankenhäusern mit Fallzahlen unter 100 liegt die Zahl der Todesfälle im Vergleich zum erwarteten Wert um 46 Prozent höher. In den Kliniken mit mindestens 200 Eingriffen liegt die Sterblichkeitsrate dagegen um 32 Prozent niedriger. „Schon mit einer Fallzahlvorgabe von 100 könnte eine deutliche Senkung der Krankenhaussterblichkeit bei den TAVI-Patienten erreicht werden, noch besser sind Kliniken mit 200 Fällen“, sagte Klauber. Stets notwendig sei außerdem eine kombinierte kardiologische und herzchirurgische Versorgung vor Ort.

Quelle: AOK-Bundesverband GbR, Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin, www.aok-bv.de, 06.12.2018

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