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Ökonomisierung der Medizin

Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) beklagt zunehmende Spannungen zwischen Chefärzten und Klinikgeschäftsleitungen. Wie eine Umfrage des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC). ergab, empfindet fast ein Drittel der leitenden Krankenhausärzte Konflikte mit der Verwaltung als besonders belastend, die zudem häufig von Respektlosigkeit geprägt seien. „In vielen Fällen kann die geübte Kommunikationskultur kaum als akzeptabel bezeichnet werden“, kritisierte Professor Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer, Generalsekretär der DGCH, auf der Vorab-Pressekonferenz zum 133. Chirurgenkongress. Disziplinierung und Austausch ärztlicher Führungskräfte nähmen zu.

Viele Krankenhäuser verstehen sich heute als Wirtschaftsunternehmen, die schwarze Zahlen schreiben und möglichst hohe Gewinne abwerfen wollen. „Nach anfänglich hoher Investition werden bereits nach einem Jahr in einem von einem Konzern aufgekauften Krankenhaus eine Erlössteigerung von zwei Prozent und nach sechs Jahren von zwölf bis fünfzehn Prozent erreicht“, berichtet Professor Dr. med. Gabriele Schackert, Präsidentin der DGCH, die den von ihr ausgerichteten 133. Chirurgenkongress unter das Motto „Chirurgie im Spannungsfeld von Technik, Ethik und Ökonomie“ stellt.

Bereits ein Drittel der heutigen Kliniken werden innerhalb einer privaten Trägerschaft geführt. „Medizinische Entscheidungen müssen oder sollen deshalb zunehmend auch nach ökonomischen und administrativen Gesichtspunkten getroffen werden“, kritisiert DGCH-Generalsekretär Meyer. Das sorgt aus verschiedenen Gründen zunehmend für Konflikte mit dem ärztlichen Leitungspersonal.

Zum einen sehen sich viele Chefärzte mit fertigen Lösungen – hierzu zählen insbesondere vorgegebene Mengenvorgaben für einzelne Eingriffe – durch die Geschäftsführung konfrontiert. „Wenn dabei die Auswirkungen dieser Vorgaben auf das Wohl und die Sicherheit der Patienten unklar oder gar schädlich erscheinen, ist der Konflikt programmiert“, so Meyer. „Denn es ist der Arzt, nicht der Kaufmann, der dafür die persönliche Verantwortung trägt.“

Um aber dem Wohl der Patienten gerecht zu werden, müsse der leitende Mediziner in seinen Entscheidungen frei bleiben und sich im Zweifel auch ökonomischen Erwägungen widersetzen. Die Administration regiere darauf häufig mit Unverständnis, zunehmend auch mit Sanktionen. „Die Disziplinierung der leitenden Ärzte durch die Geschäftsführung hat zweifelsfrei deutlich zugenommen“, erklärt Meyer. Missliebige ärztliche Führungskräfte werden immer häufiger nach Belieben ausgewechselt.

Zum anderen zeigt sich aus Sicht der Kliniker auch auf organisatorischer Ebene eine zunehmende Schieflage im Verhältnis zwischen leitenden Krankenhausärzten und Verwaltung. „Unabhängig von verschiedenen Trägerschaften der Krankenhäuser, werden nun die administrativen und betriebswirtschaftlichen Führungsetagen immer mehr aufgebläht und der eigentliche ärztliche Leistungserbringer, in der Regel Garant der Patientenrekrutierung, rutscht auch in der Chefarztposition in der Skalierung der Organigramme kontinuierlich ab“, kritisiert Meyer.

Eine Folge dieser Entwicklung sei eine verstärkte Delegation von nicht-ärztlichen Aufgaben an die medizinische Ebene. „Neben den eigentlichen fachlichen Tätigkeiten fallen neben dem Einhalten von ökonomischen Zielvorgaben immer mehr bürokratische und organisatorische Aufgaben in den Verantwortungsbereich der ärztlichen Führungskräfte“, bemängelt Meyer. „Unter diesen Umständen müssen wir aufpassen, dass ein wirklicher Traumjob, nämlich die Chirurgie, nicht sehr schnell auch einmal zum Alptraum wird.“

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V., Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin, www.dgch.de, 20.04.2016

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