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Eine Initiative der DGOU

Die Kliniklandschaft hat sich in den letzten Jahren grundsätzlich verändert. Neben einer zunehmenden Verdichtung ärztlicher Arbeit kam es zu einem Mangel an qualifizierten ärztlichen Bewerbern und resultierend zu einer Neuverteilung der Aufgaben im Gesundheitswesen [1]. Neue Berufsbilder wurden geschaffen. Sie sollen den verantwortlichen Arzt durch Erbringen von Assistenzleistungen im operativen und nicht-operativen Bereich entlasten und selbständig delegierbare Aufgaben übernehmen. Diese nicht-ärztlichen Assistenzberufe haben im Ausland eine lange und bewährte Tradition. Angesichts dieser langjährigen positiven Erfahrungen in vergleichbaren Gesundheitssystemen war eine Übertragung auf hiesige Verhältnisse nur eine Frage der Zeit. Dafür sprach neben Qualitäts-, Kosten- und Bedarfsargumenten auch die Tatsache, dass in Deutschland bereits eine Reihe solcher Qualifikationen etabliert war [2]. Jedoch existierten hierzulande verschiedene Qualifizierungswege, Ausbildungskonzepte, Berufsbezeichnungen und Einsatzmöglichkeiten. Es war und ist grundsätzlich zwischen grundständigen Ausbildungen, Weiterbildungen und einem Bachelor-Studium zu differenzieren. Durch die unterschiedlichen Institutionen, Zuständigkeiten auf Länderebene und die differenten Ausbildungsinhalte war und ist jedoch eine flächendeckende Anerkennung dieser Berufe oft nicht gegeben. Auch breitgefächerte Einsatzmöglichkeiten dieser teils sehr eng spezialisierten Assistenzberufe waren häufig nicht möglich.

Seit 2008 haben wir zunächst in den Gremien der DGU, vor allem im Berufsständischen Ausschuss der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), nun im Ausschuss Versorgung, Qualität und Sicherheit der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), dieses Thema nicht nur sehr kontrovers diskutiert, sondern uns auch entschieden, frühzeitig in Kooperation mit erfahrenen Bildungseinrichtungen ein geeignetes Ausbildungskonzept, zugeschnitten auf die Bedürfnisse in Klinik und Praxis, Orthopädie und Unfallchirurgie (O&U), zu gestalten [3, 4]. Ziel war es, im Rahmen der Delegation ärztlicher Leistungen, dem Arzt in der Praxis, aber vor allem auch in der Klinik, qualifiziertes und fachspezialisiertes Assistenzpersonal beizuordnen, das dem ärztlichen Personalmanagement unterliegt und den Bewerbern im neuen Berufsbild eine breite Ausbildung und somit eine universelle Einsetzbarkeit als Arztassistenten in den chirurgischen Spezialgebieten bietet. Dies beinhaltet Assistenztätigkeiten im gesamten operativen und nicht-operativen klinischen Alltag. Zum anderen sollten aber insbesondere Inhalte des Faches Orthopädie/Unfallchirurgie abgebildet werden und eine frühe Spezialisierung in diesem Fach möglich sein.

Mit der Steinbeis-Hochschule wurde ein Partner gefunden, der bereits über mehrjährige Erfahrung in der Ausbildung von Physician Assistants verfügte. In das bestehende dreijährige, berufsbegleitende Studium konnten spezielle Inhalte des Faches Orthopädie und Unfallchirurgie integriert werden. So erhalten die Absolventen den qualifizierten Abschluß „Bachelor of Science (B.Sc.) im Bereich Allied Health and Health Management und Vertiefungsrichtungen“ und darüber hinaus ein zusätzliches Zertifikat der Fachgesellschaft DGOU über die Spezialisierung. Voraussetzungen für das Studium sind eine abgeschlossene Ausbildung zur staatlich geprüften Gesundheits- und Krankenpflegerin/Operationstechnischen Assistenten/-in, zum medizinisch-technischen Assistenten/in oder eine vergleichbare Ausbildung im Bereich der medizinischen Assistenzberufe [5].

Die Ausbildung beinhaltet einen allgemeinen Teil und bietet nun erstmals die Möglichkeit als Wahlfach die Orthopädie/Unfallchirurgie zu vertiefen. Diese Spezialisierung kann bereits im Rahmen des dreijährigen Studiums erfolgen. Das Studium gliedert sich in Studienmodule, Transfertage (praktische Ausbildung), Selbstlerntage, eine studienbegleitende Projektarbeit und eine Studienarbeit sowie eine abschließende Bachelor Thesis. Der allgemeine Teil beinhaltet neben Themen wie z. B. Anatomie und Physiologie, Pflegewissenschaft und Gesundheitswissenschaft sowie Qualitäts- und Risikomanagement, auch chirurgische Fächer wie Viszeralchirurgie bzw. Allgemeinchirurgie, Herzchirurgie, Neurochirurgie und Orthopädie/Unfallchirurgie. Im freien Wahlfach werden dann an 25 Vorlesungstagen und einer gleichen Anzahl sog. Transfertage (praktische Ausbildung) spezielle Inhalte der Orthopädie und Unfallchirurgie vermittelt.

Ein Großteil der Studenten hat die Studienzeit so organisiert, dass im Anschluss an die Theoriewoche eine Praxiswoche absolviert wird. Damit scheint meist ein guter Rhythmus gefunden und ein Transfer von Theorie und Praxis hergestellt [6].

Einem Forschungsgutachten des DKI zufolge zeigt sich ein zunehmender Bedarf an Arztassistenten [7]. Auch die Tatsache, dass nahezu alle befragten Teilnehmer einer Umfrage unter PA-Absolventen im Anschluss an ihr Studium eine Festanstellung fanden, zeigt, dass das Berufsbild des Arztassistenten zunehmend gefragt ist [2]. In einer Umfrage des Berufsständischen Ausschusses (BSA) der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie 2009 zeigte sich, dass in 43 Prozent der befragten Kliniken bereits paramedizinische chirurgische Assistenzberufe existieren [8]. Die Akzeptanz dieser neuen Berufsbilder bei anderen pflegerischen und ärztlichen Berufsgruppen wird durchweg als „gut“ beurteilt. Die breiten Einsatzmöglichkeiten auf Station, in Funktionsbereichen und im OP werden Gründe für eine weitere Verbreitung der Arztassistenten sein. Darüber hinaus fällt die Berufszufriedenheit der nicht-ärztlichen Chirurgie-Assistenten sehr hoch aus. Die bereits zitierte Absolventenbefragung zeigte ferner, dass bereits heute im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie die meisten Arztassistenten eingesetzt werden [2].

In Kliniken aller Versorgungsstufen ist ein Einsatz der PAs denkbar und praktikabel. Aber auch in Praxiskliniken und im Bereich des ambulanten Operierens sind in unserem Fach die Arztassistenten äußerst gefragte Mitarbeiter. Der Einsatz von Physician Assistants, CTAs oder Arztassistenten im Ausland hat zahlreiche Vorteile gezeigt. Die erhöhte Kontinuität in der Assistenzleistung ermöglicht eine gesteigerte Qualität des gesamten klinischen Ablaufs [2, 7]. Durch die regelmäßige Routine der PAs wird eine deutliche Qualitätssteigerung beobachtet. Anders als befürchtet, wurde die ärztliche Weiterbildung nicht beeinträchtigt, sondern verbessert. Ein gezielter Einsatz der Assistenzärzte wird möglich, Freiräume werden hierdurch geschaffen und Überstunden vermieden. Gerade im Fach O&U ist in Deutschland angesichts der Altersstruktur sowie des sich abzeichnenden Nachwuchsmangels eine Gefährdung der ärztlichen Weiterbildung gegeben. Bei sinkenden Arztzahlen des chirurgischen Nachwuchses führt dies zu einer Konzentrierung und Effizienzsteigerung der ärztlichen Ausbildung [9, 10]

Um diese Vorteile zu erlangen, ist eine dezidierte Stellenbeschreibung des angestellten PA erforderlich. Die Einsatzbereiche des Arztassistenten z. B. in einem Universitätsklinikum werden sich von denen in einer Praxisklinik deutlich unterscheiden und sollten eben darum und auch, um eine klare Abgrenzung zu anderen Berufsgruppen zu ermöglichen, individuell definiert werden.

Um „unseren“ PAs und auch unseren Kliniken eine Rechtsicherheit zu gewährleisten, stellt sich die Frage nach einer Standardisierung oder staatlichen Reglementierung in diesem qualifikatorisch wie rechtlich äußerst sensiblen Bereich. „Einen „Wildwuchs” an nicht evaluierten, nicht qualitätsgesicherten oder nicht bedarfsgerechten Angeboten gilt es in jedem Fall zu verhindern. Daher erscheint es – zumindest mittelfristig – empfehlenswert, Qualifikationen im Bereich der nicht-ärztlichen Chirurgie-Assistenz durch Richtlinien von Fachverbänden bzw. Fachgesellschaften oder über staatliche Regelungen zu standardisieren und anzuerkennen.“[2]

Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie hat mit ihrem Konzept der Spezialisierung innerhalb eines anerkannten Bachelor-Studiengangs den ersten Schritt in diese Richtung getan und freut sich, dass dieses zukunftsträchtige Konzept voraussichtlich ab Herbst 2013 mit einem weiteren Kooperationspartner, der dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe, angeboten werden kann. Hierbei handelt es sich um ein ebenfalls dreijähriges Studium an einer staatlichen Hochschule mit der Besonderheit, dass dies im Landespflegegesetz von Baden-Württemberg verankert ist. Die Zulassung zum diesem Studiengang erfordert eine Hochschulzugangsberechtigung (Abitur, Fachhochschulreife oder eine Zulassung als besonders qualifizierter Berufstätiger nach dem LHG) und eine abgeschlossene Pflegeausbildung (Gesundheits-/Kranken-/Altenpflege) nach dem KrPflG und AltPflG sowie einen Ausbildungsvertrag mit einer Klinik [11].

Ausblick

Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie sieht im neuen Berufsbild des Physician Assistant, insbesondere mit einer fachspezifischen Spezialisierung, eine sinnvolle und perspektivenreiche Ergänzung der medizinischen Assistenzberufe. Grade im Fach O&U werden sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für die Absolventen ergeben. Die DGOU wird daher weiterhin intensiv an der Gestaltung dieses zukunftsweisenden Projekts arbeiten. Sie stellt sich damit bewusst der aktuellen Diskussion um die Weiterentwicklung der Qualifizierung von Gesundheitsberufen zuletzt angestoßen vom Deutschen Pflegerat.

Die Literaturliste erhalten Sie auf Anfrage via [email protected].

Bonk A. / Siebert H. / Hoffmann R. Physician Assistant – Schwerpunkt Orthopädie/Unfallchirurgie. Passion Chirurgie. 2013 August, 3(08): Artikel 02_06.

Autoren des Artikels

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Dr. med. Andreas Bonk

Leitender Arzt UnfallchirurgieAbteilung für Orthopädie und UnfallchirurgieKlinikum StarnbergOßwaldstraße 182319Starnberg kontaktieren
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Prof. Dr. Hartmut Siebert

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Prof. Dr. med. Dr. Reinhard Hoffmann

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